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Kultur: Siiri Schütz: Muskelspiele

Die Frage muss gestattet sein: Ist das schon Kunst? Da verfügt eine junge Pianistin über alle manuellen Voraussetzungen für eine große Karriere - perfekte Geläufigkeit, glänzende Sprungtechnik, Kraft und Geschmeidigkeit, einen vollen und weichen Ton.

Die Frage muss gestattet sein: Ist das schon Kunst? Da verfügt eine junge Pianistin über alle manuellen Voraussetzungen für eine große Karriere - perfekte Geläufigkeit, glänzende Sprungtechnik, Kraft und Geschmeidigkeit, einen vollen und weichen Ton. In Berlin bestritt Siiri Schütz damit vor Jahren manches erfolgreiche Heimspiel. Claudio Abbado nahm sich der Absolventin der Hochschule für Musik an, schon als Siebzehnjährige durfte sie beim Berliner Philharmonischen Orchester debütieren. Inzwischen holte Schütz sich in den USA bei Leon Fleisher, dem großen Piano-Poeten, ihren letzten Schliff, weitere Anregungen gaben Alfred Brendel und Murray Perahia.

Doch irgendwas muss dabei schief gegangen sein - das Recital der mittlerweile 26-Jährigen im gut gefüllten Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie jedenfalls ist eine einzige Enttäuschung. Mit sportlich anmutendem Impetus hastet sie durch Johann Sebastian Bachs "Chromatische Fantasie und Fuge", lässt von der kühnsten Harmonien zustrebenden Leidenschaft des Werkes, den Trauertönen des Rezitativs, dem Ingrimm der Fuge kaum etwas ahnen. Das plätschert so dahin, oftmals mit verschleierndem Pedal und noch öfter ohne jegliche Zäsur oder Akzentuierung.

Kaum einmal Struktur erhellende oder wenigstens klanglich differenzierende Polyphonie auch in Felix Mendelssohn-Bartholdys "Variations sérieuses", in denen Schütz überwiegend lockere Martellato-Technik zeigt. Bei Skrjabins fünfter Sonate, diesem Sturzflug in die vom Komponisten immer wieder beschworene Ekstase, hilft ihr auch das nicht viel: Welches Ziel haben sie nur, diese Töne, diese hier beziehungslos wechselnden lyrischen und rhythmisch bewegten Abschnitte? Die Gewichtung einzelner Stimmen, ihr gedachtes oder gefühltes Durchleuchten ist nicht Sache der Pianistin.

Auch in Robert Schumanns großer C-Dur-Fantasie spielt sie nicht mehr und nicht weniger, als was da steht - respektheischend vielleicht, wenn es um die mörderischen Sprünge des Mittelsatzes geht, doch auch ohne Geheimnis, ohne jene Poesie, die die Hörer erst mit auf die Reise nähme.

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