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Die Sopranistin Diana Damrau sorgte mit ihren zahlreichen Kostümwechseln für Farbtupfer an einem ohnehin schon bunten Abend.

© Monika Ritterhaus

Silvesterkonzert der Philharmoniker: Ausgelassen mit Mambo-Note

Maestro Kirill Petrenko und seine Philharmoniker bieten zum Jahresabschluss ein Programm mit gepflegter Unterhaltungsmusik von Gershwin bis Bernstein.

Ausgelassenheit zählt nicht zu den zentralen Merkmalen eines Symphoniekonzertes. Eher geht es um Erbauung, Affektkontrolle und die Verwandlung einer sinnlichen in eine geistige Erfahrung. Im Silvesterkonzert hingegen muss es rumsen, klingeln und krachen, ein krasses Feuerwerk der guten Laune soll entstehen. Das macht dieses Aufführungsgenre so anziehend wie auch anfällig.

In diesem Sinne verläuft in der Philharmonie alles im erwartbaren Rahmen. Der Saal ist farbenfroh beleuchtet, auf dem Programm der Philharmoniker unter Kirill Petrenko stehen am Sonntagabend Werke amerikanischer Komponisten wie George Gershwin, Leonard Bernstein oder Richard Rodgers. Gespielt wird also leichte Muse, zwar unter Zuhilfenahme von Schlagzeugbesen, Saxophon und Autohupe, doch mit Glacéhandschuh.

Anders gesagt, erlaubt sich Petrenko zuweilen den Skandal feiner Schulterdrehungen bei ruhendem Taktstock, sieht man hier eine Dame in den Zuschauerreihen die Arme swingen und dort einen Lackschuh in der Cellogruppe rhythmisch auf- und abwippen. Mehrmals tollt sogar die Sopranistin Diana Damrau um das Dirigentenpult herum, hinweggetragen von einem Anflug silvestraler Ausgelassenheit. Überhaupt ist es Damrau, die diesem zwittrigen Abend sein Erscheinungsbild gibt: Einerseits durch ihre mehrfachen Kostümwechsel von rosarot zu neongrün zu schwarz zurück zu rosarot und die Menge an Sentiment. Aber ebenso durch ihre gepflegte Stimmführung in „Send in the Clowns“ von Stephen Sondheim oder das umwerfende Pianissimo in den letzten Takten von „Over the Rainbow“ von Harold Arlen.

Die Abendgarderobe ist zu gut gebügelt für ein cooles Schnipsen

So stellt s ich auch dieses Silvesterkonzert wie ein Mummenschanz dar, auch wenn man Petrenko das unmöglich vorwerfen kann. Zum Jahresende gehört es sich nämlich, mit Identitäten zu spielen. „Jetzt machen wir es uns einmal so richtig ausgelassen“, hätte Lieselotte Hoppenstedt wohl über die Kastagnetten gesagt, die gepflegt vor sich hin klappern, die Streicher-Klangdecke, die stets geschlossen und timbreschön bleibt, die Frack- und Abendkleidärmeln, die viel zu eng und gut gebügelt sind für ein wirklich cooles kollektives Schnipsen.

Einmal rufen die Philharmoniker bei den Symphonischen Tänzen aus Bernsteins „West Side Story“ sogar „Mambo!". Das klingt herzhaft und auch ein bisschen kurios. Nach all den Arrangements, den vielen kurzen Sopran-Nummern, schließlich Gershwins „Amerikaner in Paris“ an letzter Stelle, ist es die zweite Zugabe, der „Kosakenritt“ von Franz Waxman, die den Saal tatsächlich aufrüttelt und einstimmt auf die Herausforderungen des neuen Jahres: zupackend motorisch, wunderbar herb. Von einer Kälte und Frische, die an diesem Abend nicht ihresgleichen hat.

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