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Der Maestro und sein Ensemble: Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker.

© Kai Bienert/Musikfest

Simon Rattle beim Musikfest: Schwerstarbeit

Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker überzeugen bei ihrem zweiten Brahms-Schumann-Abend im Rahmen des Musikfests weniger mit Brahms als mit Schumann.

Verflixter Vorführeffekt! Die Philharmoniker wollen das Musikfest mit einem Brahms-Schumann-Zyklus krönen, je zwei Sinfonien an vier Tagen hintereinander, inklusive Wiederholung des Ganzen in der kommenden Woche. Da werden vom Chefdirigenten schlüssige Antworten in Sachen Interpretation erwartet, abschließende Worte zum Thema. Doch diese übergroße Erwartungshaltung scheint schwer auf Simon Rattles Schultern zu lasten. Ungewohnt hart, ja geradezu herrisch sind seine Dirigierbewegungen, den Stab fest in der Hand, wendet er sich unablässig erst dieser, dann sofort jener Instrumentengruppe zu, will alle Details auf einmal anzeigen.

Simon Rattles Repertoire ist riesig. Deutsche Hochromantik aber war nie seine Sache. Bei Werken, die seinem Herzen nahe sind, gelingen dem Briten wunderbare, bezwingende Deutungen, wenn er die Musik einfach geschehen lässt, seinen Mitspielern vertraut, die Aufführung denkend lenkt, mit innerer Überzeugung. Johannes Brahms aber, dem Meister des komplexen Tonsatzes, will er nun unbedingt auf Augenhöhe begegnen, die Strukturen bis in den hintersten Winkel ausleuchten, jeden Ton mit Bedeutung aufladen. Nicht einmal dem Allegretto grazioso der 2. Sinfonie gesteht er ein wenig gelöste Stimmung zu.

Wenigstens bei Schumann lässt Rattle auch einmal locker

So verliert die Partitur ihr Geheimnis, und für die Zuhörer öffnen sich keine Assoziationsräume. Sie dürfen lediglich dabei sein, wenn Spitzenprofis harte Arbeit verrichten. Vielen in der ausverkauften Philharmonie hat der abgezirkelte Brahms schon am Donnerstag bei der ersten Sinfonie gefallen, und auch nach der Zweiten am Freitag bricht heftiger Jubel aus. Die Schumann-Deutungen dagegen quittiert das Publikum an beiden Abenden lediglich mit höflichem Applaus. Dabei gelingt es Rattle im langsamen Satz der Zweiten, einmal lockerzulassen. Weil er sich Zeit nimmt, einen organischen Puls wählt, können die melodischen Bögen frei ausschwingen – und die philharmonischen Streicher einen betörenden Bronzeglanz entfalten. Hier bekommt die Musik endlich Weite, darf sie die Lauschenden mild umfangen. Und siehe da: Auch das anschließende Allegro con spirito strömt plötzlich frei, breit und majestätisch, wie der Rhein im Morgensonnenglanz.

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