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Ikone des Feminismus. Die Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir. Sie starb 1986 in Paris.

© AFP

Simone de Beauvoir-Ausstellung im Schwulen Museum: Man wird Frau

Die Asymmetrie der weiblichen Erotik und das Paradox der Ehe: Das Schwule Museum widmet der Feminismus-Ikone Simone de Beauvoir eine Ausstellung.

„Wenn man einem einzigen Menschen das Verdienst zuschreiben kann, den gegenwärtigen internationalen Feminismus inspiriert zu haben, dann Simone de Beauvoir“, schrieb die US-Frauenrechtlerin Gloria Steinem 1986. Und Susan Sontag fragte sich, ob sie der kompromisslosen Französin nicht eine zweite Befreiung zu verdanken habe. Solche Devotionen vor der Ikone des Feminismus und ihrer „Bibel“ gibt es zuhauf. Gleichzeitig hat sich kaum jemand durch ihre fast 700 Seiten umfassende, 1949 erschienene Kampfschrift „Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau“ wirklich durchgewühlt. Selbst ihr erster Hauptsatz – „man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ – findet sich oft falsch zitiert.

Dabei stünde eine Relektüre des Werks angesichts eines aufkommenden aggressiven Antifeminismus und Bestrebungen, althergebrachte Geschlechterrollen zu revitalisieren auf der Tagesordnung. Davon jedenfalls ist der Filme- und Ausstellungsmacher Wolfgang Theis, der bekennt, dass er lieber als Mädchen auf die Welt gekommen wäre, überzeugt. Für das Schwule Museum hat er sich im Rahmen der Wechselausstellungen „Tapetenwechsel 2.0“ der Mühe unterzogen, Beauvoirs Opus magnum genau zu sichten und die ihm wichtig erscheinenden Sentenzen herauszufiltern. Mit diesen Spruchbändern hat er zwei riesige Wände tapeziert, lediglich regelmäßig unterbrochen von Courbets einst skandalträchtigem Gemälde „Der Ursprung der Welt“, der behaarten Vulva einer liegenden nackten Frau.

Im Mittelpunkt stehen Zitate aus „Das andere Geschlecht“

Damit ist angedeutet, dass den Ausstellungsbesucher nicht unbedingt ein Sehschmaus, sondern anstrengende, wenn vielleicht auch anregende Lesearbeit erwartet. Neben den oben genannten vielfachen Stellungnahmen zu Beauvoir und zum Feminismus, darunter auch die kürzlich von Angela Merkel zu Protokoll gegebene, dass es zwischen dem Feminismus und ihr „Gemeinsamkeiten und Unterschiede“ gebe, stehen die Zitate aus „Das andere Geschlecht“ im Mittelpunkt.

Man liest, dass die Asymmetrie der weiblichen Erotik ein unlösbares Problem sei, solange es den Kampf der Geschlechter gebe und der Gewaltakt das Mädchen zur Frau verwandle. Verhandelt wird das Paradox der Ehe, die weiblichen Unterwerfungshandlungen und Abhängigkeiten, darunter Verstörendes wie: „Der Fötus ist ein Teil ihres Körpers und auch wieder ein Parasit, der auf ihre Kosten lebt.“ Mit Mutterschaft hatte es die Beauvoir bekanntlich nicht. Auf der Couch werden die Besucher dann eingeladen, sich in das Buch zu versenken.

Manches wirkt provisorisch

Die Exponate sind eher dürftig. Im Eingangsbereich verweisen Eimer, Schaufel und Besen auf die geknechtete Hausfrau, eine kleine Vitrine mit Kosmetika auf die Fokussierung auf die weibliche Äußerlichkeit und ein paar Bilder (Jungfrau Maria mit Jesuskind) auf die Verpflichtung der Frau zur Mutterschaft. Außerdem sind ein paar weniger bekannte Fotos von Beauvoir und Sartre zu sehen und ein großes in Zeitung verpacktes Paket mit Camelia-Tampons, das sich auf eine Erinnerung Theis’ bezieht, eine der kleinen Eitelkeiten des Ausstellungsmachers.

Für Irritation sorgt die Installation zweier Wasserbassins, auf dem Boden des einen liegt eine schwere Kette, aus dem anderen steigt ein Strahl Wasser empor: weiblicher Urschleim und männliches Prinzip, die Verdoppelung des Kritisierten. Das stieß schon bei den Mitarbeitern des Museums auf Unverständnis. Die im Pressetext als „Lesben-Ausstellung“ firmierende Schau will der Kurator als Beitrag zum Feminismus verstanden wissen. Wie es bei schnellem Tapetenwechsel so ist, wirkt manches provisorisch. Die rote Fahne etwa, die an Beauvoirs Sympathie für die Sowjetunion, in der sie die Befreiung der Frau realisiert sah, erinnern sollte, war am Ende er Vernissage noch nicht eingetroffen.

Schwules Museum, Lützowstr. 73, Mo/Mi/Fr/So 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, Sa 14–19 Uhr, bis 28. August 2017.

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