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Simone Kermes

© Sandra Ludewig

Simone Kermes: Die geerdete Diva

Zuhause ist sie im Barock - und dorthin kehrt sie jetzt, nach einem Ausflug zu Strauss, auch wieder zurück: Simone Kermes singt Liebeslieder im Konzerthaus.

Gesang macht, geschätzt, 70 Prozent der Künstlerin Simone Kermes aus. Der Rest ist – ja, was? Spielfreude, Neugierde? Dieser Hauch von Kumpelhaftigkeit, der gar nicht zu einer Diva passt? Die Jovialität einer Leipzigerin, die hoffen lässt, dass Sachsen noch nicht verloren ist? Simone Kermes ist eine Nahbare, die tut, was ihr Spaß macht. Mit einer Lust, die ansteckt.

Jetzt hat sie Liebeslieder der italienischen Renaissance und des Frühbarocks ausgegraben, präsentiert sie im Konzerthaus mit dem Ensemble La Magnifica Comunità, jagt in einer koloratursatten Arie von Riccardo Broschi durch die Oktaven. Der Neapolitaner war Bruder des Kastraten Farinelli, was ihn nicht vor dem Vergessen bewahrt hat. Immer wieder ist man geflasht, dass Repertoire wie dieses heute so gar nicht mehr gespielt wird. Setzt zu wildem Kastagnettentanz die Theorbe ein, wie bei Francesco Manelli, ist man sofort in die knallbunte Gegenwart des 17. Jahrhunderts versetzt. Kommt in Dowlands „Now, O now I needs must part“ das Cornett als einziges Blasinstrument dazu, treibt es einem Schauer über den Rücken.

Wohldosierte Sprödigkeit

Simone Kermes’ Timbre ist allem Süßholzraspelndem abhold. Sie singt mit wohldosierten Sprödigkeit – und dabei alles andere als vollkommen. In der Höhe, wo ihr mit dem Druck auch reichlich Gestaltungskraft zu Verfügung steht, strahlt sie resolut und hell, in der Mittellage wird es blass. Trotzdem geht man bedingungslos mit, wenn sie die ganze Skala von Liebesleid und -leben durchsteigt, von Zärtlichkeit und Sehnsucht über Verzweiflung und Jähzorn zu Wahnsinn wie in „Restless in Thoughts“, einem „Mad Song“ von John Eccles. Die Kraft ihrer Persönlichkeit hält das alles zusammen.

Sie steigt ins elisabethanische Kleid mit Stehkragen und holt sich zwei rosige Tänzer der Staatlichen Ballettschule Berlin (Ludovico Tambara und Tommaso Marchignoli) hinzu, in Pluderhosen und Hemden, die mehr enthüllen als verbergen: Amor im Doppelpack (Choreografie: Torsten Händler).

Ein Abend, der diese großartige Musik in ihren ganzen Wucht, Dramatik, Affektgeladenheit, Menschenkenntnis leuchten lässt. Dass ausgerechnet das prominente Schlussstück, Purcells „When I am laid in earth“ von anderen schon inniger, erdferner gesungen wurde: Es ist schnell vergessen bei vier Zugaben, darunter – wirklich! – eine verkoloraturisierte Version von Helene Fischers „Atemlos“. Simone Kermes: eine Diva mit Bodenhaftung. Bei ihr ist das kein Widerspruch.

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