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Kultur: Singen und springen

„Tosca“ in der neuen Reihe „Opernführer kompakt“.

Sie ist ein Krimi, ein echter Schocker, 110 Minuten – für eine Oper ist das kurz – prall gefülltes Musiktheater, und am Ende sind vier Menschen tot, ganz ohne Wagner’sches Erlösungspathos. „Tosca“ von Puccini ist nicht ohne Grund seit der Uraufführung am 14. Januar 1900 ein Renner im Repertoire. Und sie ist eine der wenigen Opern, die räumlich und zeitlich genau verortet sind: Die Handlung spielt am 17. und 18. Juni 1800 in Rom – was bemerkenswert ist, denn die Ewige Stadt hat erstaunlich selten als Opernkulisse gedient. Jetzt hat der Berliner Musikjournalist und Rom-Kenner Michael Horst eine Einführung vorgelegt, die in der neuen Reihe „Opernführer Kompakt“ von Bärenreiter-Henschel erschienen ist. Rund 130 Seiten, das ist nicht viel, und doch begrüßenswert. Denn es hilft ja nichts: Der klassische Bildungsbürger verschwindet. Einführungen wie diese passen sich dem Lebensgefühl des Internetzeitalters an. Wenn sie fundiert geschrieben sind, ist das auch kein Schaden.

Michael Horst reist seit 25 Jahren nach Rom. Kenntnisreich beschreibt er die Schauplätze der Oper und hält auch mit Kritik an dem französischen Dramatiker Victorien Sardou nicht zurück: Weitschweifig und geschwätzig sei dessen Vorlage, und von Rom habe Sardou wenig Ahnung gehabt, sonst hätte er den ersten Akt nicht in der kleinen Kirche Sant’Andrea al Quirinale angesiedelt, wo sich der Flüchtling Angelotti schwer hätte verstecken können. Puccini verlegte die Handlung mit realistischem Instinkt in die viel größere Barockkirche Sant’Andrea della Valle. Auch die Engelsburg hat sich Horst genau angeschaut: Dass Tosca im Finale von der obersten Plattform springt, macht sich zwar dramaturgisch ausgezeichnet. Historisch wurde aber im Innenhof exekutiert.

Anders als der geschichtliche ist der analytische Teil knapp gehalten, kein Vergleich zu den Takt-für-Takt-Interpretationen von Kurt Pahlen. Und doch ist die Partitur im Wesentlichen erklärt. Dazu kommen Abrisse der Inszenierungsgeschichte und Reflexionen, etwa über die Frage, warum Puccini nur zwölf Opern und sonst fast nichts komponiert hat. Ja, der Band besitzt, auch wegen der vielen Kästen, Häppchencharakter. Aber wenn sie so ausgereift serviert werden wie hier, schmecken sie trotzdem. Udo Badelt

Michael Horst:

Puccini Tosca.

Bärenreiter Henschel, Leipzig 2012.

136 Seiten, 12,95 €.

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