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Keine Startbahn, logo. Auch Protest ist heutzutage gestalterisch durchdacht, sagen Designer. Demonstranten gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens liegen im Juni wie gefällte Bäume im Terminal. Foto: picture alliance / dpa

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Kultur: Sinn und Formalien

Der Rat für Formgebung wirbt für ein Designmuseum in Berlin. Doch was soll es zeigen?

Design schafft Zugehörigkeit. Das zeigen schon die Accessoires des Podiums im Berliner HBC-Club in der Karl-Liebknecht-Straße. Neben jedem Diskutanten liegt ein iPhone. Für den viel beschworenen Distinktionsgewinn sorgt es in der Häufung kaum. Wohl aber zeigt es den guten Geschmack, um den es geht: den ästhetischen Mehrwert, den Design einem Gebrauchsgegenstand verleihen kann.

Ob und wie sich Design in einem Museum abbilden lässt, fragt der Rat für Formgebung, der Ende September zu der Konferenz geladen hat. Seit 1953, als sich die Stiftung auf Initiative des Deutschen Bundestags gründete, feilt man im Verbund mit Unternehmen und Institutionen an einem Designbegriff, der es allen recht machen soll. Gestaltung soll als Wirtschafts- und Kulturfaktor dienen, als kreative Disziplin und Instrument zur Steigerung des Exports von Produkten made in Germany. Zwischen diesen Polen eine Balance zu finden, ist Aufgabe der gemeinnützigen Initiative. Ihr jüngstes Projekt heißt „Stiftung Deutsches Design Museum“. Schon in naher Zukunft soll daraus eine konkrete Adresse werden, an der Design „als bedeutsamer Bestandteil der angewandten Kunst und Alltagskultur einer breiten Öffentlichkeit“ zugänglich gemacht wird.

Und weil dieses Konzept dem Sammlungsauftrag der staatlichen Kunstgewerbemuseen allzu ähnlich ist, formuliert Andrej Kupetz als Hauptgeschäftsführer vom Formgebungs-Rat gleich noch einen Zusatzauftrag, den das Haus künftig erfüllen müsste: „Jenseits des Konsums gibt es Strömungen und Entwicklungen mit gesellschaftlichen Konsequenzen – und die werden im herkömmlichen Museum nicht thematisiert.“

Erst im September wurde die Museums-Stiftung anerkannt, nun denkt man darüber nach, wie ein solcher Ort aussehen könnte. Dabei spielten formale Kriterien noch keine Rolle, meint Kupetz, um klarzustellen, dass man nicht mit Entwürfen ambitionierter Architekten überschüttet werden will. Stattdessen möchte der Rat über Inhalte diskutieren. Das Gebäude dafür muss am Ende auch „nicht unbedingt neu gebaut werden“. Auf jeden Fall aber gehört es nach Berlin, da hat der Rat für Formgebung keine Zweifel. Obgleich er selbst als wirtschaftsnahe Institution in Frankfurt am Main sitzt und von dort auch alle kommen, die für die Stiftung relevante Entscheidungen treffen: Petra Roth als Oberbürgermeisterin der Stadt, Jochen Klösges, Mitglied des Vorstands der Commerzbank AG, und Detlev Schwab von der Synius GmbH. In Frankfurt pflegt man beste Kontakte zur finanzkräftigen Gesellschaft. In Berlin liegt das kreative Kapital.

Mit ein paar Protagonisten der Stadt hat man im Sommer schon einmal vorgedacht und diverse Experten zum brainstorming geladen. Darunter Konstantin Grcic als einen der führenden deutschen Designer, Ästhetik-Professor Bazon Brock, Isabelle Graw als Gründerin des Magazins „Texte zur Kunst“, den Berliner Möbelmacher und Autor Rafael Horzon, Andreas Murkudis als Inhaber mehrerer Geschäfte für exklusive Mode und Design in Berlin und den Design-Theoretiker Volker Albus.

Letzterer saß auch im HBC und polemisierte gegen die traditionelle Idee eines Museums, in das „man ein paar Stühlchen stellt“. Schließlich sei heute alles, von der Applikation für das iPhone bis zur politischen Protestbewegung, gestalterisch durchdacht respektive choreografiert. Diese gesellschaftliche Relevanz von Design müsse ebenso sichtbar werden wie seine aktuelle Entwicklung.

Was ein solches Museum noch benötigt oder vielleicht gar nicht braucht, wollen die Initiatoren nun wissen. Auf ihrer Website www.deutschesdesigmuseum.de rufen sie Künstler, Galeristen, Designer und andere dazu auf, die Thesen des ersten Gesprächs zu kommentieren. Manches davon ist so provokant, dass sich bislang kein Eintrag dazu findet. „Wäre es nicht befreiend, auf eine Sammlung zu verzichten?“, fragt mit Andreas Murkudis ausgerechnet einer, der sein Geld mit gut gemachten Objekten verdient.

Auch dem beliebigen Satz von Martin Roth, der jüngst mit dem Victoria and Albert Museum in London eine der vitalsten Adressen für Kunstgewerbe und Design übernommen hat, fehlt bislang jede Reaktion: „Das Museum ist nur eine Hülle. Es kann immer wieder neu erfunden werden.“ Was soll man dazu auch sagen?

Eine Reaktion verzeichnet immerhin Werbe-Experte und Kunstsammler Christian Boros, der das Museum einen „Ort der Denknotwendigkeit“ nennt. „Auch das Web ist Ort der Denknotwendigkeit“, heißt es in einer Mail. „Sie wollen diesen Prozess offen und interaktiv gestalten? Leider wurden viele Möglichkeiten beim Design dieser Website (von Boros) nicht genutzt.“ Je länger man sich im virtuellen Raum des Museums bewegt, desto mehr muss man der Nutzerin zustimmen. Statt die erste, garantiert disparate und dennoch inspirierende Diskussion komplett abzubilden, beschränkt man sich auf ein paar plakative Formulierungen. Als interaktive Plattform versagt die Website.

„Wir müssen über den Designbegriff reden“, gibt Volker Albus den Initiatoren in seinem Statement mit auf den Weg. Vielleicht sollte der Rat für Formgebung dies auch weiterhin besser in Live-Foren tun.

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