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Kultur: Sitzen bleiben, selig werden

Der zweite Stock, das ist ein Leben in der Vorhölle, und das einzige, was zu tun bleibt, ist Warten. Dicke Ehefrauen im Bett warten schlaflos auf den Gatten, verwirrte Söhne im Krankenhaus auf ihre Väter.

Der zweite Stock, das ist ein Leben in der Vorhölle, und das einzige, was zu tun bleibt, ist Warten. Dicke Ehefrauen im Bett warten schlaflos auf den Gatten, verwirrte Söhne im Krankenhaus auf ihre Väter. Es warten die Chefs, die Ärzte und die Angestellten, es warten Eltern, Ratsversammlungen und Glaubenskongregationen. Ob im Bahnhof, in der Notaufnahme oder im Taxi im Stau: Alles steckt fest im Wartesaal des Todes. Lebend oder tot? Das geht am Ende etwas durcheinander, wenn die Toten leibhaftig erscheinen, um den Lebenden ihr Überleben heimzuzahlen. Soviel steht fest: Viel zu holen gibt es auf beiden Seiten nicht.

In "Songs from the Second floor" erzählt der schwedische Regisseur Roy Andersson eine surreal verfremdete Familiengeschichte: Der Vater ein Brandstifter, der eine Sohn Taxifahrer, der andere in der Psychiatrie. Vater versucht sich als Verkäufer von Kruzifixen, die am Ende alle auf dem Müll landen, Sohn dichtet im Irrenhaus. "Gesegnet seien die, die sitzen bleiben", lautet die lakonische Botschaft des Films.

Auf der Haben-Seite führt dieser Stillstand zu einer kafkaesken Grundstimmung in grau-grünen, blass-ungesunden Farben. Schauplatz ist eine nicht näher definierte Studio-Stadt, bestehend aus Krankenhaus, Büro, Cafe und Rathaus, durch die Magritte-ähnliche Büromenschen taumeln. Da wird einer ohne Grund auf der Straße zusammengeschlagen, und alle auf der anderen Straßenseite sehen unbewegt zu. Oder: Durch eine Straße wälzt sich ein nicht enden wollender Stau, während die übrigen Viertel menschenleer erscheinen. Alles endet mit einer rätselhaften Ratsversammlung und einem Kindesopfer, das an Buñuel erinnert.

In Cannes hat der Film im vergangenen Jahr den Jurypreis bekommen - vielleicht ist es ein Festivalfilm, dessen skurrile Bilder lange im müden Hirn nachwirken. Für den wachen Kopf ist die Story dann doch zu bizarr, um bis zum bitteren Schluss fesseln zu können.

Christina Tilmann

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