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Kultur: Sitzen, brüten, schlummern

„Under Ground“ im Kommunikationsmuseum

In der U-Bahn fühlt man sich beobachtet. Die Gedanken sind zwar auch hier frei, doch öfter als beabsichtigt vom Gesicht abzulesen. Die seit 2001 in Berlin lebende Rumänin Loredana Nemes (Jahrgang 1972) zeigt in ihren knapp 70 U-Bahnfahrerfotos „Under Ground“ offene und verschlossene Gesichter. Passend fürs Museum für Kommunikation geben Körpersprache und Mimik hier vielfach verräterische Auskunft.

Mittelformatkamera und klassischer Schwarzweißfilm sind das Rüstzeug von Loredana Nemes, die ihre Sekundenbekanntschaften mit bemerkenswertem Stilempfinden ins Bild setzt. Die Handabzüge in unterschiedlichen Formaten bestechen mit hoher Dunkelkammergüte. Der besondere Blick der Fotografin ist so ausgeprägt, dass der Betrachter den Eindruck gewinnt, die Züge in Paris, London, Berlin, Moskau, Bukarest und New York wären in Wahrheit ein einziger Waggon. Darin sitzen, hängen, schlummern, brüten und albern Alleinreisende und Paare aller Altersstufen. Besonders stark die Bildsequenzen. Zwei nebeneinander sitzende Pariser Pubertistinnen agieren Geste für Geste spiegelbildlich – auf vier Bildern kann das kaum ein Zufall sein. Doch die Protagonisten dieser zu seltsamer Ruhe gekommenen, eigentlich doch ruckelnden und gleiskreischenden Welt kommunizieren auch über die Passepartoutgrenzen hinweg, wie das Moskauer „Paar“ eines Jungen und einer alten Dame, beide mit der Hand an der U-Bahn-Griffstange, scheinbar den Blickkontakt suchend. Jens Hinrichsen

Museum für Kommunikation, Leipziger Straße 16, bis 8. Februar, Di-Fr 9-17, Sa u. So 10-18 Uhr.

Jens HinrichsenD

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