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Skandinavisches Abschlusskonzert in der Philharmonie: Die sinnen, die Finnen!

Für das Abschlusskonzert der 40. Deutsch- Skandinavischen Orchesterwoche hat ihr Gründer Andreas Peer Kähler eerneut ein Stück komponiert. Das Vergnügen, die Uraufführung in der Berliner Philharmonie zu leiten, überlässt der Dirigent allerdings seinem jungen Kollegen Visa Yrjötä

Ein Mini-Oratorium über finnische Flüche für Solo-Kontrabass, Schlagzeuger und Männerchor – auf dem Papier hört sich das witzig an. Und klingt live in der Philharmonie sogar noch lustiger: Für das Abschlusskonzert der 40. Deutsch- Skandinavischen Orchesterwoche hat ihr Gründer Andreas Peer Kähler mal wieder ein Stück komponiert. Das Vergnügen, die Uraufführung zu leiten, überlässt der Dirigent allerdings seinem jungen KollegenVisa Yrjötä. Als Dank dafür, dass Yrjötä zusammen mit seinem fantastischen finnischen Männerchor Euga zu dem alljährlich um Silvester stattfindenden Projekt nach Berlin gekommen ist, gemeinsam mit Nachwuchsinstrumentalisten aus mehr als 20 Nationen.

Mit von der Partie ist am Dienstag auch Janne Saksala, der Solo-Kontrabassist der Berliner Philharmoniker. Er darf in Kählers „Sisua Perkele“ vorführen, was auf seinem Instrument alles geht, von Schabegeräuschen bis zum Gesang in höchsten Lagen. Auch jazzige und rockige Impulse sendet Saksala aus – und geht doch ein wenig unter beim Zusammenspiel mit Chor und Perkussionisten. Das funktioniert nicht nur musikalisch, sondern ist auch visuell ein Hingucker: Zwischen Schlagwerksalven geraten die Herren aus Finnland immer wieder in Bewegung, wogen als Körpermeer hin und her, wie vom Nordwind gepeitscht, murmeln, erregen sich, skandieren Parolen. Um dann urplötzlich, unerwartet schmeichelzart-schlagerhafte Melodien anzustimmen, unterstützt von südamerikanischen Rhythmen. Worte wie „Helsinki“ oder „Sauna“ schnappt der des Finnischen Unkundige auf, bei den konsonantensatten übrigen Texten handelt es sich laut Andreas Peer Kähler um wüste Kraftausdrücke. Übersetzungen sind sicherheitshalber im Programmheft nicht abgedruckt.

Klug hat der Dirigent das Hauptstück des Abends ausgewählt: Als Jean Sibelius 1891 seine erste große Orchesterpartitur vollendete, war er 26 Jahre jung, befand sich also in jener Phase zwischen Adoleszenz und Erwachsensein, die auch die Teilnehmer der Deutsch-Skandinavischen Orchesterwoche gerade am eigenen Leib erfahren. Ein monströs-genialisch auftrumpfendes Frühwerk ist die Tondichtung „Kullervo“, spätromantisch-hochdramatisch wird das Schicksal eines ziellos durchs Leben irrenden Jüngling erzählt, der unwissend die eigene Schwester schwängert.

In mysteriös-neblige Atmosphäre sind die ersten Sätze getaucht, das Raunende, Rätselhafte gelingt gut in der Aufführung, bei aller Archaik ist stets auch ein inneres Glühen zu spüren. Weil die Solistenpartien in ihrem Dauerparlando undankbar sind, hat Kähler seinen beiden jungen Interpreten, der Mezzosopranistin Tuuri Dede und dem Bariton Simon Barrad, zuvor bereits mit Gustav Mahlers „Wunderhorn“-Liedern die Gelegenheit gegeben, sich stimmlich zu präsentieren.

Die Sensation des Abends aber ist die Euga-Männertruppe, erweitert um die dem Stimmbruch entwachsenen Herren des Berliner Knabenchors: Prachtvoll-viril ist ihr Klang, sehr körperlich, von naturgewaltiger Wucht im Fortissimo – ohne an Tonschönheit einzubüßen! –, präsent und intensiv auch in den leisesten Momenten. „Suurenmoinen!“, würden die Finnen sagen. Großartig!

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