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Kultur: So fern, so nah – ein Beziehungskonstrukt

Fotografie von Wolfgang Zurborn und Skulpturen von Birgit Knappe in Galerie Ruhnke

Auf den ersten Blick scheinen Welten aufeinander zu stoßen. Von plakativer Wirkung die großformatigen Fotoprints, in denen Wolfgang Zurborn Alltägliches aus dem fernen China in die Galerie Ruhnke holt. Verschwiegen und in sich ruhend dagegen Birgit Knappes Skulpturen aus Sand- und Kalkstein, Marmor und Granit. Deren Geradlinigkeit harmoniert sowohl mit den fernöstlichen Motiven der Serie „China! Which China?“ des Fotografen in den ersten beiden Räumen der Ausstellung als auch mit seinen Momentaufnahmen aus dem Rhein-SiegKreis der Serie „Mitten im Westen“ im dritten Raum. Der Titel der gemeinsamen Ausstellung bei Ruhnke „So fern, so nah“ verweist auf die Ambivalenz von Nähe und Distanz, ein Thema, das sowohl den Fotografen als auch die Bildhauerin ganz offenkundig beschäftigt.

Für Zurborn stellt sich – nicht nur auf Reisen – permanent die Frage einer möglichst authentischen Annäherung an sein Motiv. Dabei ist es weniger erheblich, ob sich der in Köln lebende Fotograf gerade in heimischen Gefilden aufhält oder am anderen Ende der Welt. Neugier wird zur Triebfeder, um jenen magischen Moment zu erhaschen, in dem in der Einstellung seiner analogen Kamera motivisch alles zusammenfließt. „Ich will die Überraschung provozieren“, beschreibt Zurborn seine Beziehung zur Fotografie. Gerne vertraut er auf den erzählerischen Reichtum, den das unmittelbare Lebensumfeld genauso wie spektakuläre Reiseziele bereithalten. In den Bildern, die er bei seiner Entdeckungsreise durch den Rhein-Sieg-Kreis einfing, geht es um Heimat und Momente der Identifikation mit eben dieser Region. Sie besitzen durchaus dokumentarischen Charakter, ohne dabei im Sinne einer objektiven Darstellung reine Beschreibung zu sein.

Für Werner Zurborn wird Dokumentarfotografie erst dann interessant, wenn sie die Entschiedenheit besitzt, der vermeintlichen Objektivität größtmögliche Subjektivität entgegenzusetzen. Was er mit seiner Fotografie will, beschreibt er als „extreme Konstruktion von Wirklichkeit“. Zurborn hat ein sicheres Gespür dafür, den Augenblick in einer Weise zu inszenieren, dass er scheinbar nebensächliche Details prominent in den Vordergrund rückt. Beim Fotografieren achtet er darauf, „dass immer auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig etwas passiert“. Die beiden ausgestellten Serien enthalten eine Fülle denkbarer Geschichten. Ausgelöst dadurch, dass für Wolfgang Zurborn „jedes Bild wie eine Fragestellung ist“.

Vergleichbares lässt sich auch über die Skulpturen der in Berlin lebenden Birgit Knappe sagen. Die häufig auf internationalen Symposien vertretene Bildhauerin untersucht in ihren klein- und großformatigen Arbeiten das Beziehungsgeflecht zwischen Skulptur, Raum und Architektur. „Raumstein“, „Graue Stadt“ oder „Spaces in between“ nennt sie ihre mit architektonischen Utopien spielende Plastik aus Stein. Bei Ruhnke überwiegend im Klein- und Mittelformat zu sehen, erscheinen diese markanten Formationen wie Modelle für eine Umsetzung im großen Maßstab. Und in der Tat sorgt das Durchdeklinieren von Proportionen und Massen durch alle Formate hindurch im Werk Birgit Knappes für intensiv fragende Exploration. Statt ihre Körper aus Stein im Vorfeld zu konstruieren, tastet sie sich im Arbeitsprozess über „gefühlt rechte Winkel“ an die Anatomie der teils komplexen, nie jedoch komplizierten Formationen heran. Zeichnungen, von denen einige ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, betrachtet sie wie „Planspiele“. Für die bildhauerische Arbeit relevante Raum- und Massenverteilungen werden so in der Konzeptionsphase schon einmal in der Fläche erprobt. Die Faszination für Grundrisse genauso wie für Durchbrüche bringt eine Skulptur hervor, bei der durch die Thematisierung von Gegensätzen eine Grundspannung entsteht.

So laden Öffnungen und Fenster ein, in den steinernen Raum einzudringen oder ihn in der Vorstellung zu durchschreiten. Arbeiten wie die beiden im Galerie-Innenhof aufgestellten „Shelter“, Schutzräume, Bunker, verströmen neben ihrer Schutzfunktion auch etwas Abweisendes, Beklemmendes. Nähe und Ferne als Thema der Doppelausstellung wird bei Birgit Knappe zur Erfahrung von Nähe und Distanz. Almut Andreae

Öffnungszeiten der Ausstellung „So fern, so nah“: Do-So, 14-18 Uhr, Charlottenstraße 122. Am 31. Juli: Workshop für Fotografie mit Wolfgang Zurborn. Anmeldung erforderlich unter Tel.: (0331) 50 580 86

Almut Andreae

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