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So kann’s gehen: Muss ich alte Kleider annehmen?

Nach 25 Jahren traf ich meinen Onkel und seine Frau, die Erbschaftsstreitigkeiten von der Familie entfremdet hatten. Kurz darauf bot mir die Frau Kleidungsstücke an, da sie gerade ihr Schweizer Domizil auflöse und die gleiche Größe habe wie ich.

Nach 25 Jahren traf ich meinen Onkel und seine Frau, die Erbschaftsstreitigkeiten von der Familie entfremdet hatten. Kurz darauf bot mir die Frau Kleidungsstücke an, da sie gerade ihr Schweizer Domizil auflöse und die gleiche Größe habe wie ich. Ihre Pakete haben mich tief deprimiert. Schließlich habe ich drei Kinder alleine groß gezogen und gerade ein Studium abgeschlossen. Wie kann ich ihr das klar machen?

Ihre Reaktion ist sehr verständlich. Es ist immer schwer zu verdauen, bei wohlhabenden Leuten Kleingeist zu beobachten. Ihre Vermutung, dass die Tante ihre Gabe, die auf Sie wie ein Almosen wirken muss, gar nicht böse gemeint hat, ist ebenfalls richtig. Sie sind eine Frau, die mitten im Leben steht und mit allen möglichen Herausforderungen klarkommt. Natürlich wollen Sie keine abgelegten Sachen tragen. Dass ein Erbschaftsstreit der Eltern im Hintergrund noch einen Schatten wirft, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil, vermutlich ärgert es Sie, dass die Second-Hand-Klamotten wie eine späte, völlig unzureichende Wiedergutmachung wirken.

Sie sollten der fremden Tante unbedingt schreiben, dass Sie keine Verwendung für die Kleidungsstücke haben und sie gern in die Altkleidersammlung geben würden oder einen Oxfam-Laden. Schreiben Sie sachlich, dass Sie ein sehr eigenständiges Leben führen, gewohnt sind, Herausforderungen zu meistern und sich in abgelegten Kleidungsstücken einfach nicht wohl fühlen. Dass Sie gerade eine Studium abgeschlossen haben und also auf dem Sprung sind in eine neue Lebensphase, können Sie ruhig auch noch erwähnen. Der Kontakt wird vermutlich wieder einschlafen, es wird nicht schade darum sein. Ihre Schilderung lässt darauf schließen, dass es keine gemeinsame Wellenlänge gibt. Gerade deshalb ist es wichtig, auf halbherzige Lügen zu verzichten, einen sauberen Strich zu ziehen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

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