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Kultur: So? Tja! Jesses!

Elke Erb blättert ihr lyrisches Tagebuch auf.

Elke Erb hält sich gerne an Konkretes, an Menschen und Verhältnisse, aufgehoben in Tagebuchnotizen aus rund 50 Jahren. Für ihren neuen Gedichtband hat die 75-Jährige den Ordner „Impfschein bis Kündigung“ geöffnet. Da purzeln unter anderem heraus: Tante Thereses Schrift über Pointen im Barock, drei verirrte Schafe in ländlicher Gegend, ein Hund, der auf nur drei Beinen vorankommt, gen Scherbach in der Eifel, wo Elke Erb geboren wurde, vielleicht aber auch zum Café Ritter in Wien oder zum „Wohlfühlort“ Wuischke im Sorbischen.

Ihre Wahrnehmungen setzt die Tagebuchschreiberin locker in Verse. „Ich habe den Verhältnissen gekündigt, / sie waren falsch“, heißt es da. Ein widerständiges Ich bewegt sich entschieden fragend, auf Widerspruch erpicht und mit unschlagbarem Witz durch Berliner Straßen und ländliche Gegenden: auf dem Fahrrad, zu Fuß oder in Zügen.

Alltagsszenen, beim Zubereiten von Tee, beim Telefonieren, auf dem Balkon oder beim Aufräumen, nehmen dabei gerne eine ungeahnte Wendung. Ein erinnerndes Ich irrt und korrigiert sich und flicht ein Gewebe, aus dem Wortschöpfungen tönen wie „Schafsleibeslänge“, „Skelettwitz“ oder „Vermögensstockwerke“. Von Werten und Zielen wie „Ehre Geltung und Geld“, „größtmöglichem Erfolg“ und „Wellness“ ist die Rede. Doch ritten nicht schon in der Antike „Habsucht&Verschwendung“ die Republik zuschanden? Elke Erb ist nicht etwa unter die politischen Dichter gegangen? Ihre Gesellschaftkritik kommt als ironische Pointe daher, als komische Sentenz oder Wortspiel zwischen „SudelIndustrie“ und „IndustrieSudelei“.

Das Politische ist stets Bestandteil eines größeren Themas, das mit dem „Zu-sich-Selbst-Kommen des Menschen“ bezeichnet werden kann. Dabei bedenkt Elke Erb vieles mit, darunter auch Prozesse des Alterns. Sie hält Zwiesprache mit Dichterkollegen aus Gegenwart und Vergangenheit, allen voran Anna Achmatowa und Ossip Mandelstam, die sie kongenial ins Deutsche übertragen hat. Kreaturen, die ungeachtet ihrer Beschädigungen weiterleben, betrachtet sie mit Achtsamkeit, wie den dreibeinigen Hund (das „Hündle“), das dem Buch den Titel gab.

Wehmütig werden die Verse nirgends. Mehr denn je spickt die Berliner Dichterin wörtliche Rede mit spitzen Floskeln, die alles Gesagte gleich wieder infrage stellen: „so?“, „ach!“, „aha“, „wie nicht?“, „tja“, „weißgott“, „jesses“. Das ist ein heiterer Dialog mit sich selbst, dem jetzigen und früheren Ich und dem Leser. Zum Gesprächscharakter tragen auch neue, haikuähnliche Texte bei. Aber Elke Erb verkehrt ihre Gelassenheit potzblitz ins Gegenteil. In idyllischer „Mittagsruhe“ wird plötzlich geschossen. Dorothea von Törne

Elke Erb: Das Hündle kam weiter auf drein. Gedichte. Roughbook 028, Wuischke und Solothurn 2013. 62 Seiten,

7 €. Nur im Netz zu bestellen unter roughbooks.ch

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