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Kultur: Söhne Mannheims

Diese Woche auf Platz 1 mit: „Noiz“

Mannheim, im Mündungswinkel von Rhein und Neckar gelegen, wurde wegen einer gewissen Ballung an Sangeskünstlern schon öfter zum deutschen Soul-Delta erklärt. Immer wieder wird dabei die angebliche Hässlichkeit der Stadt hervorgehoben. Mannheim ist nicht schlimmer als Essen oder Bielefeld. Man kann davon durchaus den Blues kriegen, aber Soul vermutete man dort in früheren Zeiten nicht unbedingt. Doch Mannheim hat neben einer vitalen Live-Szene sogar eine Pop-Akademie und der bekannteste Sohn der Stadt heißt Xavier Naidoo. Naidoo betreibt mit 13 anderen Musikern eine Band, deren Debüt auf Anhieb 500000 Mal verkauft wurde. Naidoo und die Seinen singen vom lieben Gott.

Wären sie Amerikaner und täten das in ihrer Sprache, würde es nicht weiter auffallen. Soul kommt aus dem Kirchenchor. Und unter Soul-Brüdern gab es immer auch Wanderprediger. Aber die Söhne tun es auf Deutsch. Sie haben die Vorbilder aus der schwarzen Musikkultur 1:1 übersetzt – und dienen als Beleg für die These von einer entwurzelten, nach Spiritualität dürstenden Jugend.

Wahrlich, ich sage euch: So wird es auch diesmal sein. Denn auch das zweite Album des Mannheimer CVJM ist klingender Gottesdienst. Mit „Vater Unser“ und allem drum und dran. Naidoo ruft den „König der Könige“ an, er verflucht das „Babylon System“ und hält manche Litanei. Ein schwer entwirrbares Durcheinander aus Pop, Religion und gesungenem Leitartikel. Seinen Vornamen hört Naidoo angeblich gern wie „Saviour“ ausgesprochen. Deutsch: der Erlöser. Es ist einfach sich über den „Jesus der Hitparaden“ lustig zu machen. Es ist schwer, sein salbungsvolles Pathos zu ertragen. Trotzdem steigt das Album von null auf eins ein.

„Noiz“ (wie englisch: Noise) bedeutet „Lärm“, „Geräusch“. „Noiz“ ist auch die Umkehrung von „Zion“, dem Titel des Debüts. Vor Jahren hatte Naidoo die Vision von Mannheim als Ebenbild Jerusalems. Mit dem Königsstuhl bei Heidelberg befinde sich sogar ein passender Berg in der Nähe. Vielleicht sollte Naidoo einfach mal für die ARD das „Wort zum Sonntag“ rappen.

Ralph Geisenhanslüke

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