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Kultur: "Solas": Lob der Mutterschaft

Die Gegend ist trostlos: Von den Hausfassaden bröckelt der Putz, Mülltüten gammeln im mannshohen Unkraut, ein Gitterzaun rostet dahinter im Staub. Kaum zu glauben, dass dies ein Vorort von Sevilla ist: Hier, unweit der maurisch-katholischen Pracht für die Ewigkeit, verfällt bereits die Moderne.

Die Gegend ist trostlos: Von den Hausfassaden bröckelt der Putz, Mülltüten gammeln im mannshohen Unkraut, ein Gitterzaun rostet dahinter im Staub. Kaum zu glauben, dass dies ein Vorort von Sevilla ist: Hier, unweit der maurisch-katholischen Pracht für die Ewigkeit, verfällt bereits die Moderne. Binnen weniger Jahrzehnte scheint sie am Ende ihrer Geschichte angekommen und mit ihr die Menschen, die von Aufbruch und Emanzipation träumten. Davon erzählt der Andalusier Benito Zambrano in seinem ersten Spielfilm.

"Solas" tourt seit 1999 erfolgreich durch die Festivals, vergangenes Jahr in Berlin - doch ist schwer zu verstehen, was an dieser Mischung aus Trash und Heimatfilm so begeistern soll. Vielleicht ist es seine ruhige Kamera, sind es die langen Einstellungen auf das verzweifelt blasse, schöne Gesicht von Maria (Ana Fernandez), die vor der ländlichen Traditionstyrannei in diese geschichts- und zukunftslose Vorstadtwüste geflüchtet ist. Vielleicht sind es die immer geduldigen, stoischen Augen ihrer Mutter (Maria Galiana), die alles löschen, was ohne Milde ist: den Jähzorn ihres Mannes wie die Rebellion ihrer Tochter. Vor allem ist es wohl das Verständnis, das Zambranos Bilder für diese Gegensätze vorspielen: Er legt fahles, kaltes Licht auf Marias zitternde Haut und hüllt ihre Mutter in sonnengelbe Wärme. "Solas" - "alleine" sind beide. Zambranos Herz aber gehört der Mutter.

Die andalusische Schauspielerin Maria Galiana trägt diesen Film, sie ist seine Stärke und seine Schwäche zugleich. Denn zwar lebt in ihrer massigen, festen Gestalt eine so menschliche Langsamkeit und bäuerliche Renitenz gegen alles Nervöse, dass man von Anfang an versteht, was ihre Tochter erst am Schluss begreifen soll: Leben findet nicht außerhalb von Lebendigem statt. So viel Beharren auf dem schlichten Mutterglück aber, das sie in die Tortilla backt oder in die Wolljacke einstrickt, ist schon hart an der Grenze zu dem, was Woody Allen einmal passive aggressive schimpfte.

Ein in sich widersprüchlicher Film ist "Solas". Mit scharfsinniger Lakonie wirft er erst Details auf die Leinwand, um sie wenig später in dem backwarmen Erlöserlicht um seine Übermutter wegschmelzen zu lassen.

Doris Meierhenrich

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