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Kultur: Solidarnosc mit der Arabellion Eine Berliner Tagung über Chancen der Demokratie

Ähnlichkeiten zwischen dem Umbruch in Ostmitteleuropa in den achtziger Jahren und dem Sturz der nordafrikanischen Regimes im Zuge des Arabischen Frühlings sind nicht zu übersehen. Die Motive der Akteure und der Verlauf der Ereignisse waren Thema der Tagung „Von Danzig nach Tunis“ des Deutschen Polen-Instituts und des Europejskie Centrum Solidarnosci in Berlin.

Ähnlichkeiten zwischen dem Umbruch in Ostmitteleuropa in den achtziger Jahren und dem Sturz der nordafrikanischen Regimes im Zuge des Arabischen Frühlings sind nicht zu übersehen. Die Motive der Akteure und der Verlauf der Ereignisse waren Thema der Tagung „Von Danzig nach Tunis“ des Deutschen Polen-Instituts und des Europejskie Centrum Solidarnosci in Berlin. Der Drang nach Freiheit, Gerechtigkeit und Teilhabe an politischer Gestaltung brach sich in beiden Fällen Bahn. Damals wie heute kamen die Ereignisse für den Westen überraschend. Zwar reagierte man jeweils mit Sympathie, zeigte sich aber auch leicht beklommen, da lange offenblieb, wohin die Dynamik führen sollte.

Neben den Gemeinsamkeiten sind aber auch die Unterschiede augenfällig. Während der Westen die Staaten Ostmitteleuropas bald mit offenen Armen im gemeinsamen „europäischen Haus“ empfing, sind die aktuellen Reaktionen gegenüber den arabischen Staaten deutlich verhaltener. Dabei klingen die Erwartungen an die Europäer, die Ali-Ridha Chennoufi, Professor für Philosophie an der Universität Tunis, formulierte, nicht überzogen. Es gehe vor allem um ehrliche Zusammenarbeit und Solidarität mit denen, die auf Pressefreiheit und Menschenrechte pochen.

Tatsächlich erweist sich die europäische „Nachbarschaftspolitik“, die auf Stabilität gesetzt und die alten Regime Arabiens gestützt hatte, in der Rückschau als zynisch und beschämend falsch. Markus Meckel, Außenminister a.D. und Teilnehmer am Runden Tisch der DDR, betonte, dass „die Arabellion nicht wegen, sondern trotz der Nachbarschaftspolitik“ möglich war. Zwar wurden europäische Politiker nicht müde, Reformen einzufordern und „westliche Werte“ zu beschwören, zugleich aber taten sie bis zuletzt alles, um die korrupten Potentaten als berechenbare Partner im Amt zu halten.

Der Barcelona-Prozess, der seit 1995 auf euromediterrane Partnerschaft gesetzt hatte, wurde von den Anschlägen des 11. September 2001 und dem Krieg im Irak 2003 überdeckt. Die Stagnation im politischen Status quo schien Europa, so der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, nun als der sicherere Weg. Der palästinensische Wirtschaftswissenschaftler Ahmas AlSadi sieht in der Doppelmoral des Westens die Gefahr, dass sich die arabischen Reformer enttäuscht abwenden könnten. Die geplante Panzerlieferung an SaudiArabien sei da ein falsches Signal.

Aus den Erfahrungen mit dem Systemwechsel in Ostmitteleuropa ließe sich so manche Lehre ziehen. Bürgersinn und Verantwortung, Vertrauen und Solidarität waren die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung Polens, sagte Zbigniew Bujak, Mitbegründer von Solidarnosc und Teilnehmer am Runden Tisch 1989. Es sei damals um Freiheit und Würde gegangen. Mit Unterstützungsprogrammen auf dem Gebiet der Verwaltung habe der Westen Osteuropa damals unter die Arme gegriffen, ohne zu bevormunden.

Wie mutlos und verstockt wirke dagegen die europäische Politik gegenüber der arabischen Revolution. Überall wittere man Gefahren und Fehlentwicklungen. Darin waren sich die Konferenzteilnehmer einig. Europa traue, gelähmt von diffusen Ängsten vor dem Islam, den arabischen Gesellschaften zu wenig zu, meinte Bartlomiej Nowotarski von der Wirtschaftsuniversität Breslau: Man sei zu misstrauisch angesichts fehlender demokratischer Traditionen. Dabei habe Polen seinerzeit auch keine Erfahrung mit Demokratie gehabt. Andreas Pflitsch

Andreas Pflitsch

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