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Das Solistenensemble Kaleidoskop

© Adam Berry

Solistenensemble Kaleidoskop: Entdecke den Lars von Trier in dir

Lars von Triers Film „Dogville“ sowie und Richard Brautigans Roman „In Watermelon Sugar“ sind die Inspirationsquellen für den Musiktheaterabend des Solistenensembles Kaleidoskop im Haus der Festspiele.

Ganz schön selbstbewusst, dieser Beginn: Sehr spät öffnen sich die Türen zum großen Saal im Haus der Berliner Festspiele, und dann dauert es noch über eine Viertelstunde, bevor man das Solistenensemble Kaleidoskop das erste Mal zu Gesicht bekommt.

Immerhin ist es zu hören: irgendwo links hinter der breit, offen und nüchtern mit niedergefahrenen Beleuchtungszügen liegenden Bühne probt das Streicherensemble Beethovens „Große Fuge“. Man setzt an, bricht ab, wirft Taktzahlen in die Runde. Als die Musiker schließlich einer nach dem andern barfuß und achtsam in weiten 7/8-Hosen die Bühne betreten, ist so viel klar: Es wird ein extrem entschleunigter Abend werden. Und wer keine meditative Begabung besitzt, wird sich ziemlich lümmeln.

Für den Rest der Zuhörer aber hat die Sache durchaus etwas – nur was ist die Sache? Die Musiker nennen es „Kaleidoskopville“ und „ein Musiktheater“. Ihre Inspirationsquellen sind klar: Lars von Triers Film „Dogville“, der in einer minimalistischen Theaterdekoration spielt, und Richard Brautigans 1968 erschienener Roman „In Watermelon Sugar“, der von einer ländlichen Kommune in einer fiktiven, postkatastrophischen Zeit handelt und aus dem die Musiker von Zeit zu Zeit kurze Zitate vortragen.

Für das junge Ensemble, das in seinen Projekten einfallsreich gegen die Idee vom Konzert als frontaler Präsentation anarbeitet, ist das alte Modell einer Kommune eine anregende Utopie. Der Kontrast zwischen den Künstlern und ihrem passiven, beschuhten, zahlenden Publikum zeigt jedoch schon, dass die Utopie in der Theatersituation ganz auf das Terrain der Ausführenden beschränkt bleibt.

Eine gewisse Stärke entfaltet der Abend dennoch, wenn man ihn als selbstreflektierenden Essay über das Proben begreift, in dem sich, wenn eben auch meist unter Ausschluss des Publikums, der von Roland Barthes formulierte Traum von musikalischem Tun als „restloser Praxis“ erfüllen kann.

Neben einem virtuosen Versuch, das Adagio aus Mahlers 9. Sinfonie gleichzeitig bis an die Grenze von Stille und Geräusch zu führen, bleibt eine Sequenz zu Beethovens Fuge im Gedächtnis: Fast wie in einer Familienaufstellung erkunden die Musiker mit sparsamsten Gesten und Anordnungen Spannungen und Beziehungen im Ensemble, um sich zu einem harmonisch komponierten stehenden Bild zusammenzufinden. Dann, mit dem ersten Ton, fällt eiskaltes Arbeitslicht auf die Bühne und der Prozess beginnt von Neuem – in Tönen.

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