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Andreas Blau bei einem Auftritt im Casino Baden-Baden.

© Monika Rittershaus

Soloflötist Andreas Blau: Luft in ihrer edelsten Form

Dieser große, runde Ton: Seit 45 Jahren ist Andreas Blau Soloflötist bei den Berliner Philharmonikern. Und auch wenn er bald in Rente geht, hat er nur eins im Kopf: Weitermachen.

„Ich habe einen Traumjob gehabt.“ Wer das nach 45 Dienstjahren sagen kann, hat bei der Berufswahl wirklich alles richtig gemacht. Dass es etwas mit Musik sein würde, war im Fall von Andreas Blau relativ klar. Denn der Berliner ist quasi mit den Berliner Philharmonikern aufgewachsen. Früh durfte er den Vater, der in der Violingruppe spielte, zu Proben und Konzerten begleiten. Mit dem Streichinstrument allerdings, das er in die Hand gedrückt bekam, mochte sich der Knabe nicht anfreunden. Viel spannender fand er, was Soloflötist Aurèle Nicolet machte: Der hatte so einen großen, runden Ton!

In Gertrud Zoeller fand der 13-Jährige die ideale Lehrerin – und zeigt so viel Talent, dass er nach dem Schulabschluss nahtlos als Student zu ihrem Mann wechseln kann, zu Karl-Heinz Zoeller, dem anderen philharmonischen Soloflötisten, der an der Universität der Künste unterrichtet. Als der 1968 bei einem Südamerika-Gastspiel der Philharmoniker einen schweren Autounfall hat und für einige Jahre das Orchester verlassen muss, bewirbt sich Andreas Blau auf die Stelle. Herbert von Karajan ist beim Probespiel anwesend, das so erfolgreich verläuft, dass der 19-Jährige einstimmig von den Musikern aufgenommen wird.

„Es war eine künstlerisch unglaublich spannende Zeit“, schwärmt er. „Karajan hat uns unheimlich gefordert, er liebte beispielsweise äußerstes Pianissimo. Außerdem war es ihm wichtig, dass wir lange Bögen spielten: ,Vergessen Sie die Taktstriche!‘, rief er uns immer zu.“ Dass in den siebziger Jahren viel weniger Proben üblich waren als heute, ist eine Herausforderung für den Orchesterneuling, der die großen Repertoirestücke fast alle zum ersten Mal spielt. Hinzu kommt Karajans Angewohnheit, während der Tournee erst am Aufführungstag zu entscheiden, wer die Solopositionen bei den Bläsern besetzt. „Unvermittelt fragte er mich: Wollen Sie heute Abend Brahms’ Vierte spielen?“, erzählt Blau. „Natürlich sagte ich Ja. Aber das waren dann schon nervenaufreibende Konzerte für mich.“ Immerhin lässt Karajan, der ja gerne mit geschlossenen Augen dirigiert, seine Musiker bei schweren Stellen nicht alleine, sondern unterstützt sie mit einem hilfreichen Blick.

Nur einmal gab es eine Phase der Selbstzweifel

Der Chefdirigent fördert Andreas Blau nicht nur väterlich, sein junger Soloflötist bringt ihn sogar auf die Idee, eine Orchesterakademie zu gründen, die herausragende Hochschulabsolventen beim Einstieg ins Berufsleben unterstützt. Als Karajan die Spitzen der deutschen Wirtschaft einlädt, um sie als Spender für das Trainee-Programm zu gewinnen, sorgt Blau für die musikalischen Einlagen. Seit der Gründung der Orchesterakademie 1972 gehört er zu den engagiertesten Lehrkräften. Bei den Wiener Philharmonikern, im römischen Orchestra di Santa Cecilia oder auch bei der Komischen Oper sind ehemalige Schüler von ihm engagiert – und auch seine Sitznachbarin bei den Philharmonikern, Jelka Weber, hat er einst unterrichtet.

Nur einmal gab es eine Phase der Selbstzweifel. Das war, als Andreas Blau so um die vierzig war. In diese Zeit fielen zugleich auch die Querelen zwischen den Philharmonikern und Karajan. Als ihm die Musikhochschule Hannover anbot, parallel zur Berliner Tätigkeit eine Professur anzutreten, will er annehmen – wird dann aber von seinem Orchestervorstand ausgebremst: Ganz oder gar nicht, lautete damals die Regel. „Das war mein Glück“, sagt Andreas Blau heute.

Vor wenigen Jahren hat er sogar noch einmal das Instrument gewechselt, ist vom überzeugten Silber- zum Holzflötenspieler geworden. „1967 wollte Abbado, dass für die Matthäus-Passion Holzflöten eingesetzt werden. Damals wurden zwei Instrumente aus Grenadill angeschafft, einem fast schwarzen Hartholz, das in den Savannen Afrikas vorkommt. Mehr aus Neugier habe ich sie eines Tages ausprobiert – und war mit dem Klang sofort sehr glücklich.“

Andreas Blau: Unbedingt weitermachen

Offiziell war die Saison 2013/14 Andreas Blaus letzte bei den Philharmonikern. Doch weil sein Nachfolger, der Franzose Mathieu Dufour, der vom Chicago Symphony Orchestra kommt, erst zum Herbst 2015 anfangen kann, spielt er als Rentner noch ein Jahr lang weiter. Und dann? Das tägliche Üben jedenfalls wird er nicht aufgeben. Und auch der enge Kontakt zum Orchester wird bleiben, nicht zuletzt durch den Mann seiner Tochter, Solooboist Albrecht Mayer. Auch sein Schwiegervater war übrigens Berliner Philharmoniker, der Solotrompeter Fritz Wesenigk.

Unbedingt weitermachen will Andreas Blau auch mit den „14 Berliner Flötisten“. Die hat er 1996 gegründet, aus dem Bedürfnis, Kollegen aus Ost und West zusammenzubringen. Was logistisch schwerer zu bewerkstelligen war als gedacht. Denn die Treffen können immer erst gegen 22.30 Uhr stattfinden, wenn alle Beteiligten ihren Verpflichtungen in den Orchestergräben wie auf den Konzertpodien nachgekommen sind.

Das erste „grenzenlose Flötenvergnügen“, bei dem alle erdenklichen Bauformen des Instruments von der Piccolo- bis zur mannshohen Subkontrabassflöte zum Einsatz kommen, war allerdings ein solcher Erfolg, dass sie beschlossen, weiterzumachen. So manches neue Stück haben sie seitdem uraufgeführt, 1999 komponierte Siegfried Matthus mit seinem „Kronprinz Friedrich“ sogar eine Oper, in der die Sänger ausschließlich von den 14 Flötisten begleitet werden. Fünf CDs konnten sie bereits veröffentlichen, bis zu einem halben Dutzend Konzerte geben sie jedes Jahr. Das nächste findet am 23. August statt. Dann treten die verwegenen Vierzehn im Rahmen der Brandenburgischen Sommerkonzerte auf, in Forst, nahe der polnischen Grenze, mit virtuosen Bearbeitungen bekannter Klassiker von Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 3 über Dvoraks Bläserserenade bis hin zu Bizets „Arlésienne-Suite“.

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