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Ostsee. Wetter. Eher mäßig. Dafür erwärmen Simon & Garfunkel das Gemüt.

© picture alliance / Christian Charisius/dpa

Sommerhits (6): Die letzte Nacht

Ob alte Schlager im Autoradio oder scharfe Rhythmen am Strand: Sommerhits gehören zum Urlaub wie die Sonnenbrille. In den Ferien erzählen wir von der besten Musik für die heiße Jahreszeit.

Juli an der Ostsee kann so winterlich sein. Beim Kaminofen steht ein Korb mit trockenen Scheiten, Anzünder liegt auch da, nicht bloß zur Dekoration. Die letzten Abende haben wir uns alte Filme aus der Videothek des Hauses angesehen. Frank Capras „Arsenic and Old Lace“ mit Cary Grant, 1941 gedreht, zeigt ja nicht nur, wie nah Hollywood und der Broadway einmal einander waren und wie viel Komödie in einer Geschichte über zwei Serienmörderinnen steckt. Ihr Bruder hält sich auch für den Präsidenten der Vereinigten Staaten und begräbt die Opfer mit militärischen Ehren im Keller des ehrenwerten Hauses, wo er ansonsten den Panama-Kanal aushebt. Einfach Cary Grant und Co. in diesem irrsinnigen Power-Play anschauen, und der kalte Sommerabend ist gerettet.

Vielleicht war es auch ein verregneter Nachmittag, an der Ostsee herrscht ja kein Mangel an schlechtem Wetter. Neben den wunderbaren Filmen (Douglas Sirk, Roberto Rossellini!), die wir schon immer mal wieder sehen wollten, gab es eine Menge interessanter CDs. Ich dachte, Beethovens Klavierkonzerte vier und fünf mit Wilhelm Kempff und den Berliner Philharmonikern könnten angenehm wärmen. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1962 – und in der Hülle war Nina Simone. Greatest Hits. Eine wunderbare Verwechslung. Die Musik, da wir uns kennenlernten. Viel besser als Beethoven. Ich freue mich auf „My Baby Just Cares for Me“ und „Love Me or Leave Me“. Der Sound im Appartement ist überraschend gut. Nina Simone steht auf der Hülle – und aus den schlanken Holzboxen kommen zarte Männerstimmen.

„I can hear the soft breathing of the girl that I love / as she lies here beside me / asleep with the night ...“ Ein junger Kerl betrachtet seine schlafende Freundin. Es sind seine letzten ruhigen Augenblicke. Er hat einen Laden überfallen. Sie werden ihn finden. Sein Leben ist versaut, ihm bleibt diese letzte Nacht. „Oh what have I done ...“ Es ist der Titelsong auf dem Debütalbum von Simon & Garfunkel. „Wednesday Morning 3 A. M.“ Das Jahr 1964. Noch gilt Folk-Musik als Maßstab der intellektuellen Jugend. Die Unschuld des Liedes zerreißt einem das Herz. Eine Fehlpressung, wie der kalte, nasse Juli. Von Beethoven zu Nina Simone, die sich als Simon & Garfunkel entpuppt. Morgen scheint die Sonne.

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