zum Hauptinhalt
Neue Instrumente braucht das Land. Gnawa-Musiker in Marokko mit den metallisch klappernden Qaraquib und der dreisaitigen Langhalslaute Gimbri.

© www.worldmusic.net

Sommersouvenirs (5): Musikinstrumente: Schalmei und Wahn

Was man so mitbringt von der Urlaubsreise: Schönes und Seltenes, Nützliches und Überflüssiges, Trinkbares und Tragbares. Gregor Dotzauer haben es Musikinstrumente angetan. Teil 5 unserer Sommerserie.

Von Gregor Dotzauer

Es war im Sommer der Kalimbas, als das andere Ende der Welt nur noch einen Katzensprung entfernt lag. Massenhaft lächelten einen die Daumenklaviere auf deutschen Floh- und Festivalmärkten mit ihren obertonschiefen Metallzähnen an und fragten: Wozu, Spielkinder, reist ihr eigentlich noch nach Simbabwe oder Malawi, wenn wir vom hessischen Vogelsberg genauso schön plinkern und plunkern? Oder war es im Sommer der Didgeridoos, als bayerische Aborigines die Zirkularatmung lernten und das australische Outback an den Ammersee holten? Oder war es vielleicht im Sommer der Rainmaker, als der Staub der chilenischen Atacamawüste bis in die deutschen Mittelgebirge herüberwehte und das tropische Geriesel in den Kaktusrohren auch den hiesigen Wettergöttern in den Wolkenohren kitzelte?

Im Rückblick lässt sich nicht mehr sagen, wann die Instrumente der ethnologischen Sammlungen vereinsamten, weil indische Tablas, brasilianische Caxixis und ägyptische Ouds außerhalb der Museumsmauern sehr viel fröhlicher zusammenfanden. In den Parks trommelten sich Djembé-Gruppen die Finger taub, durch die Fußgängerzonen huschten Engel mit keltischen Harfen, das Arsenal exotischer Musikinstrumente wuchs Jahr um Jahr.

Das Schweizer Hang hat sich in alle Welt verbreitet

Inzwischen wird in europäischen Gefilden längst nicht mehr nur nachgebaut, es wird erfunden – und manch eine Erfindung erobert dabei wiederum die große weite Welt, als wäre sie von dort gekommen. Die erstaunlichste Karriere hat dabei das Schweizer Hang gemacht: zwei aufeinandergesetzte Stahlblechschüsseln mit Tonfeldern auf der Oberseite und einem Resonanzloch auf der Unterseite. Ein klingendes UFO, das zwischen karibischen Steeldrums und den Metallophonen der indonesischen Gamelan-Musik irrlichtert und in Gestalt des Gubal sowohl einen edlen Nachkommen wie auch viele traurige Bastarde gezeugt hat.

Aber wie soll man überhaupt noch Alt und Neu, Nah und Fern voneinander unterscheiden? In einer Ocean Drum rauschen die Wellen des Pazifiks, auch wenn sie vom Bodensee stammt, und im Gewühl der Tänzer und Schlangenbeschwörer auf der Djemaa el Fna in Marrakesch spielen sie zu ihren Rahmentrommeln manchmal sogar Banjo. Wer aber nach Roussillon in der Provence reist, zu den ockerfarbenen Hügeln ins Département Vaucluse, der findet auf dem zentralen Markt einen fliegenden Händler, der für fünf Euro die verführerischste marokkanische Schalmei verkauft, die ihr Ursprungsland nie gesehen hat.

Die Plastikröhre mit Trichterende hat weder Rohrblatt noch Namen, sie sieht von der Bemalung her sogar weniger maghrebinisch als indianisch aus. Aber wer sie wie eine Querflöte mit Stutzen anbläst, produziert auf ihren sechs Grifflöchern auf Anhieb herrlich unkontrollierbare Melismen. Das Geheimnis ist ein Stück Luftballon, das mithilfe eines Plastikrings als näselnd vibrierende Membran über das Mundstück gespannt wird und sich je nach Luftzufuhr bläht. „Damit“, verspricht der Händler, „halten Sie jede Kobra in Schach.“ Nur welche Hand das Instrument zusammengefügt hat, will er nicht verraten. Die Antwort, so ist zu fürchten, liegt weder in Frankreich noch in Nordafrika – sie liegt auf einem weit entfernten Kontinent.

Bisher erschienen: Bücher in fremden Sprachen (20. Juli), Flüssiges im Handgepäck (23. Juli), Lavendel (27. Juli), Notizbücher (30. Juli)

Für unsere zweite Sommerserie bleiben wir dieses Jahr in Berlin und entdecken "Berliner Höfe".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false