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Steine

© imago/Westend61

Sommersouvenirs (6): Steine: Der Stein des Weisen

Urlaubsmitbringsel sind schön, selten, nützlich, überflüssig, trag- oder trinkbar. Peter von Becker sammelt besondere Strandfunde: Steine. Teil 5 unserer Sommerserie.

Als im Sommer 1959 der Ex-GI Bill Ramsey seinen Schlagerhit „Souvenirs Souvenirs“ auf die Plattenteller warf, schien die Reisewelt noch in braver Ordnung. Für die Bundesdeutschen hatte sich dank Wirtschaftswunder und D-Mark gerade die große weite Welt geöffnet – zumindest bis zur Adria. Auch für die Ostdeutschen, mit weniger Geld und Reisefreiheit gesegnet, gab’s im Eisernen Vorhang immerhin noch ein Schlupfloch: in Berlin, vor dem Bau der großen Mauer.

Wer damals reisen konnte, der brachte mit den Souvenirs noch wirklich einen Hauch der weiten, fernen Welt mit nach Hause. Das war, kurz gesagt – vor der Globalisierung. Wer heute etwas im Ausland kauft und es ist kein Unikat, der kann das Gleiche meist mühelos auch zu Hause finden. Venezianisches Papier, indische Tücher, indianische Stofftaschen, provençalische Kräuter, chinesische Stäbchen, japanische Fächer, Limoncello aus Sorrent oder tunesischen Feigenschnaps, Masken aus Mali, andalusische Keramik: Fast alles kriegen wir auch in Berlin, Leipzig oder Freiburg. Zur Freude der Liebhaber und der Daheimgebliebenen. Und zum Verdruss des Reisenden, der denen zu Hause (oder sich selbst) etwas mitbringen möchte, das halbwegs originell und nicht sowieso schon vorhanden ist.

Muschelsammler? Ich schaue eher nach Steinen

Was übrigens hatte Bill Ramsey einst als Souvenirs besungen? „Von der Gitarre eine Saite, die Elvis schlug, / und den Verschluss der Bluse, die die Lollo trug.“ Das waren einige seiner Empfehlungen, nebst Charlie Chaplins Schuh, Picassos Kamm und Marylin Monroes Schwamm. Das alles hätte es freilich schon ’59 bestenfalls bei Christie’s und nicht im Andenkenladen gegeben. Trotzdem bleibt jene Zeile recht hübsch im alten Lied: „Souvenirs einer großen Zeit / sind die bunten Träume unserer Einsamkeit.“

Übersetzen wir die „große Zeit“ mit „Ferienzeit“ und unsere „Einsamkeit“ weniger romantisch melancholisch mit dem Hier und Jetzt nach der Rückkehr vom Reisen, dann muss es mehr sein als weltweit gehandeltes Kunstgewerbe oder das banale Mitbringsel vom Duty Free. Zum Beispiel Unvergängliches von Land und Meer. Wie Muscheln. Doch die besten Muschelsammlerinnen sind wohl Frauen. Ich schaue eher nach Steinen. Habe schon in antiken Tempelstätten, von Hellas bis Mexiko oder Kambodscha, kleine Steine aufgelesen (nicht rausgebrochen). Marmor, Ton, Fossilhaftes, Vulkanisches, wohl nicht ganz verboten. Steine, Mineralien auch von andernorts, der besonderen Form oder Maserung wegen. Dabei immer bezaubernd: ein nasser glatter schwarzer Fund an einer Küste, mit einer geheimnisvollen hellen Ader. Nur, kaum wird er trocken, ist er meist stumpf und grau. Kein kleiner Gral – nur der Stein des Dummen, der den des Weisen weiter sucht.

Bisher erschienen: Bücher in fremden Sprachen (20. Juli), Flüssiges im Handgepäck (23. Juli), Lavendel (27. Juli), Blankbooks (30. Juli), Schalmeien (2. August)

Für unsere zweite Sommerserie bleiben wir dieses Jahr in Berlin und entdecken "Berliner Höfe".

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