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Eine Vase aus Griechenland.

© dpa

Sommersouvenirs (7): Keramik: Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen

Urlaubsmitbringsel sind schön, selten, nützlich, überflüssig, trag- oder trinkbar. Wolfgang Prosinger teilt eine Keramikleidenschaft. Teil 7 unserer Sommerserie.

Es war immer das Gleiche: Wenn eines dieser Schilder auftauchte, in Italien, in Frankreich, in Spanien, dann schrie die Beifahrerin „Halt!“. Es war ein Freudenschrei. Auf den Schildern stand ceramiche oder poterie oder cerámica, je nachdem, durch welches Land die Reise führte. Die Schilder bedeuteten immer dasselbe. Dass jetzt dringend angehalten werden musste und zwar sofort. Dass man jetzt diese Töpferei am Wegesrand besuchen müsse, um sich ein wenig umzusehen zwischen den Schüsselchen und Schälchen, den Tellerchen und Kübelchen. Was für eine günstige Gelegenheit, sich hier mit Mitbringseln für die liebe Verwandtschaft und Bekanntschaft einzudecken. Auch der eigene Haushalt habe doch schon lange auf diese wunderschöne Salatschüssel mit den feinen Oliven-Zeichnungen gewartet.

Da die Reisen im Auto oft lang und die mediterranen Töpfereien häufig waren, sammelte sich bald auf dem Rücksitz keine geringe Zahl von Tüten und sorgfältig in Zeitungspapier eingeschlagenen Päckchen. Die Beifahrerinnen wechselten im Lauf der Jahre, aber in einem schienen sie sich doch zu gleichen. Alle waren von dieser Leidenschaft für südländische Keramiken erfüllt, offenbar eine Konstante der Partnerwahl.

Jedenfalls füllten sich in der heimischen Wohnung die Schränke und Kästen, der Platz wurde knapp. Und die reizenden Kunstwerke, die man in Urlaubsübermut erworben hatte, erwiesen sich nach der Rückkehr im nüchterneren Alltag als weit wenig bezaubernd als im Licht des Südens. Auch dies eine Konstante. Weshalb die zierlichen erdfarbenen Schälchen aus Spanien alsbald zu einer Randexistenz als Aschenbecher degradiert wurden und die leuchtend roten Trinkbecher zu Zahnbürstenhaltern.

Keramik aus Apulien - in jeder WG zu sehen

Die Krönung der Keramikleidenschaft ereignete sich im italienischen Apulien. Diesmal war die Reise nicht mit dem Auto unternommen worden, sondern mit der Bahn nach Bari, von dort ging es mit Fahrrädern in die Berge. Dort wollte es der Zufall, dass auf der Route das Städtchen Fasano lag, deren ganzer Stolz eine Keramikmanufaktur war. Ihre Produkte erfreuten sich damals in Deutschland einer besonderen Beliebtheit, sandfarben mit einem zarten roten Streifen am Rand. In jeder WG waren sie zu sehen.

Ob man nicht, fragte die Mitradlerin, ein paar dieser wunderschönen Exemplare erstehen wolle? Preiswert, direkt ab Fabrik. Aber wie, um Himmelswillen, solle man die auf dem Fahrrad transportieren? Kein Problem, sagte der Verkäufer, er werde für bruchsichere Verpackung sorgen. Die Mitradlerin strahlte.

Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen

Es ist dann so gekommen, wie es kommen musste. Als zu Hause die bruchsicheren Päckchen geöffnet wurden, fand sich ein Scherbenhaufen darin. Nur eine einzige Tasse war weitgehend heil geblieben, es fehlte bloß der Henkel. Sie dient seitdem in der Küche als Salzfass.

Was man so mitbringt von der Urlaubsreise: Schönes und Seltenes, Nützliches und Überflüssiges, Trinkbares und Tragbares. Unsere Ferienserie mit kleinen Geschichten von Menschen und Dingen. Bisher erschienen: Bücher in fremden Sprachen, Flüssiges im Handgepäck, Lavendel, Blankbooks, Schalmeien, Steine.

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