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Kultur: Sopranistin mit Rückkopplung Halbzeit: Was bleibt von den Berliner Festwochen?

Ein Festival zeigt Konturen. Im zweiten Jahr gibt sich das, was früher einmal „Berliner Festwochen“ hieß, auf durchgehend hohem Niveau.

Ein Festival zeigt Konturen. Im zweiten Jahr gibt sich das, was früher einmal „Berliner Festwochen“ hieß, auf durchgehend hohem Niveau. Programmschwerpunkte werden sichtbar, auch die Zuschauer kommen zahlreicher. Die Idee, Komponisten – in diesem Jahr Debussy und Saariaho – in Kammer- und Sinfoniekonzerten parallel vorzustellen, birgt reiche Perspektiven. Konsequent verfolgte Programmstränge, ein Focus auf zeitgenössische Musik, aber eben auch mit Rückgriff auf ältere Musikformen: So ließe sich ein Publikum gewinnen, das nicht mehr zwischen kleinen und großen Veranstaltungen unterscheidet, sondern dem Neuen aufgeschlossen und mit hohem fachlichen Anspruch begegnet.

Beispiel Neue Musik: Michel van der Aa zählt zu der Sorte junger Komponisten, die ihre Sozialisation in der Clubszene genossen haben. Nun stürmt er, repetierende Spielfiguren mit elektronischen Effekten würzend, die Neue-Musik-Szene. Wobei die Frage, ob dem 34-jährigen Niederländer vielleicht doch nur eine Gratwanderung zwischen den Stilen gelingt, nicht abschließend geklärt werden kann. Seine „Here-Trilogie“, die in der Konzerte/Oper04-Reihe der Berliner Festspiele ihre Erstaufführung erlebte, bot allenfalls Ausblicke. Michel van der Aa setzt sein Thema – Trennung, Erstarrung, Isolation, Bruch – frappierend um. Wie im Kultfilm „Matrix“ suggeriert er mit Schnappgeräuschen, plötzlichen Brüchen und unerwarteten Rückblenden eine instabile Wirklichkeitsbehauptung, die zunehmend Risse zeigt. Plötzlich halten die Streicher inne, die letzten Töne, über Mikrofone in den Computer eingespeist, schlingen sich über das Ensemble. Auch Barbara Hannigan macht auf diese Weise eine Aufnahme ihrer selbst. Unerwartet startet die Sopranistin vergangene Passagen neu, singt mit sich im Duett und demonstriert nebenbei ihre fantastische Intonationssicherheit.

Höchste Aufführungsqualität darf man voraussetzen, wenn Karlheinz Stockhausen mit Musikern erscheint, die seit Jahren seinen Werken verpflichtet sind. Sämtliche Klavierstücke an drei Abenden boten die Festspiele – ein dicker Brocken, aber es hat sich gelohnt, auch wenn Stockhausens jüngere Werke bekanntlich äußerst umstritten sind. Zunächst spielten Benjamin Kobler und Frank Gutschmidt Stücke aus den Fünfzigern, die in ihrer knochigen Struktur nichts an Prägnanz und Schärfe verloren haben. Der Glaube an die serielle Neukonstruktion aller musikalischen Erscheinungen mag sich als Illusion erwiesen haben, hier wird er nachvollziehbar. Im Gegensatz dazu das Abschlussstück, ein Auszug aus der Oper „Sonntag aus Licht“ für fünf Synthesizer: Schlimmster Elektronikkitsch wabert da über die Bühne, genießbar wohl nur für jene, die des Meisters Privatmythologie verinnerlicht haben.

Ein Festival, das weiter wachsen könnte. Das ist aber nicht geplant: Alle Stränge des diesjährigen Festivals sollen wieder gekappt werden, nächstes Jahr gibt es nur noch Orchestermusik. Es ist nicht leicht, dem Intendanten Joachim Sartorius zu folgen.

Ulrich Pollmann

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