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Auf großer Expedition. Grabung am Nordabhang des Tell Halaf. Aufnahme ohne Datum.

© Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln

Souvenir Tell Halaf: Die Karawane zieht weiter

Meine Karawane. Mein Pferd. Meine Kutsche. Max von Oppenheims Alben in der Ausstellung "Von Kairo zum Tell Halaf" im Berliner Fotomuseum.

Eine gewisse Parallele gibt es da schon zwischen der Sparkasse und dem Bankierssohn Max von Oppenheim. In einem Fernsehspot des Geldinstituts aus den Neunziger Jahren treffen sich zwei alte Bekannte wieder, wie geht’s, fragen sie sich. Und der erste packt aus: Mein Haus, mein Auto, mein Boot. Die Besitztümer knallt er dem Gegenüber als Fotos auf den Tisch, eins nach dem anderen. Bilder als Beweisstücke. Auch Max von Oppenheim nutze die Fotografie, um zu zeigen, was er besaß: Meine Karawane. Mein Pferd. Meine Kutsche. 1896 zieht er nach Kairo, arbeitet im diplomatischen Dienst, und nimmt auf Reisen von seinem hübschen Domizil aus immer einen Fotografen mit. Damit mag er zwar nicht der Erste sein, aber wie kaum ein anderer war sich von Oppenheim der Macht der Bilder bewusst. Einmal, 1899, muss er den Fotografen beauftragt haben, so lange in der Wüste zu warten, bis der Expeditionstross den nächsten Kamm erreicht hatte, dann durfte jener abdrücken: Kamele traben wie auf einer Perlenschnur aufgereiht in weiter Ferne.

13 000 Fotos gehören am Ende zu Sammlung, die meisten von ihnen kleben in Alben, die er bis zu seiner letzten Expedition 1939 feinsäuberlich zusammenstellt und immer wieder einem erlauchten Kreise präsentiert oder zu Vorträgen und auf Exkursionen mitnimmt. Auf manchem Buchdeckel steht: „Zeigealbum“. Von Oppenheim, als Kind von den Märchen aus 1001 Nacht fasziniert, will nicht nur Erinnerungsstücke für sich behalten, sondern auch andere Europäer begeistern. Die meisten dieser 75 Bände sind nun in der am Freitag eröffnenden Ausstellung „Von Kairo zum Tell Halaf“ im Museum für Fotografie zu sehen. Sie haben, anders als der Tell Halaf-Schatz, der im Pergamonmuseum seine Wiederauferstehung feiern darf, die Kriegswirren überlebt. Nur zwei Alben tragen Spuren von Einschüssen.

Für die Kuratoren, Ludger Derenthal und Kristina Lowis, ist das Besondere an diesen Alben ihre feine Dramaturgie, die zu richtigen Erzählungen abgestimmte Bildfolge. Das muss man ihnen einfach glauben, denn durchblättern darf man nicht, auch wenn es einem bei diesen dicken in Leder gebundenen Wälzer mit den vergilbten Seiten geradezu in den Fingern juckt. Die Bände sind Unikate, die Fotografien ebenso, Negativ gibt es keine mehr. Präsentiert werden die Exponate deshalb mit aufgeschlagenen Doppelseiten in Schaukästen. Dafür gibt es zwei vollständig digitalisierte Bände, die auf Bildschirmen Seite für Seite durchlaufen. Welche Motive ihm in seinen Alben noch fehlten, welche bei der nächsten Reise in Auftrag gegeben werden und welche von ortsansässigen Fotostudios angekauft werden sollten, darüber führte Max von Oppenheim genaue Listen. Seine Sorgfalt lässt sich an einzelnen Doppelseiten ablesen: Da antwortet das Porträt eines Beduinenpaar auf die Abbildung zweier spitzer Kegeldächer eines Dorfes. Ein gewundener Flusslauf ähnelt einem steinernen Rundbogen auf der gegenüberliegenden Seite.

Nur ein kleiner Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit den Ausgrabungen am nordsyrischen Tell Halaf, dem aramäischen Fürstensitz aus dem frühen ersten Jahrtausend vor Christus. Für die Archäologen, die die Tausenden von Puzzleteilchen zusammensetzen mussten, waren jene sachlich-dokumentarischen Aufnahmen natürlich von großem Wert. Glücklicherweise liegt im Museum für Fotografie der Schwerpunkt auf der Person des Barons und auf seiner Begeisterung für den Orient und für die Fotografie. Letzteres ist unübersehbar: Statt einfach nur ein archäologisch interessantes Steingrab zu dokumentieren, klebt von Oppenheim eine weitere Abbildung daneben, auf der der Sarkophag zusammen mit dem Schatten des Fotografen zu sehen ist.

Beschwerlich war damals die Reise mit den großen Apparaturen und unhandlichen Fotoplatten. Im Grabungshaus am Tell Halaf ließ von Oppenheim extra eine Dunkelkammer einrichten. Wie sein Assistent Mahmud dort frisch entwickelte Fotos glattzieht, zeigt eine Aufnahme, die der Baron mit einem Porträt seiner selbst kombiniert. Auch das: Ein Zeichen für die Liebe zum noch neuen Medium Fotografie. Möglicherweise hat von Oppenheim selbst ab und zu eine Kamera in die Hand genommen. Genaueres ist jedoch nicht belegt.

Dafür aber sein Umgang mit den in seinem Dienst stehenden Fotografen: Diese verpflichteten sich, sämtliche Bildrechte abzugeben und immer genau den Anweisungen des Grabungsleiters Folge zu leisten. Nicht nur die Alben unterlagen der Regie des Privatgelehrten. Deutlich hebt sich die Sammlung, die normalerweise im Hausarchiv des Bankhauses Sal. Oppenheim in Köln lagert, von jenen Bildern ab, die an den äußeren Wänden des Kaisersaals hängen. Es sind Beigaben aus den hauseigenen Beständen der Staatlichen Museen. Professionelle Studios haben hier perfekt ausgeleuchtete Architekturaufnahmen aus dem arabischen Raum geschossen, zur ähnlichen Zeit wie von Oppenheims Fotografen. Aber im Kontrast wirken sie seltsam leblos.

Bei Oppenheim fahren (in späteren Jahren) Autos neben Kamelen her, und der Baron notiert darunter: „Die alte und die neue Zeit in der Steppe.“ Der Mann mit dem Zwirbelbart empfängt Einheimische zum Tee im Hotel oder lässt gleich die ganze Familie ablichten. Den Hobby-Forscher, der unter der mangelnden Anerkennung von Archäologen litt, interessierte die Kultur des Nahen Osten aus tiefstem Herzen, er sprach arabisch. Ganz anders als so mancher aus den kolonialen Zirkeln, in denen sich der Diplomat bewegte. Aber nicht nur dort. Besonders faszinierten von Oppenheim die Beduinen. Er schrieb ihre Stammbäume nieder, mit einem Phonografen ließ er ihre Gesänge aufzeichnen. Auf seine fünfbändige Abhandlung über das Wüstenvolk stützen sich Ethnologen noch heute. Und nicht zuletzt musste er sich mit ihnen gut stellen, das bewahrte seine Grabungsprojekte vor Raubzügen.

Bei der feinen deutschen Gesellschaft war der Baron als profunder Kenner von Land und Leuten beliebt. Immer wieder lud er Damen und Herren mit Rang und Namen zu Banketten in sein herrschaftliches Haus nach Kairo oder zu Reisen ein. Auf einem Bild soll der Kronprinz Wilhelm höchstpersönlich neben den Kamelen posieren. Doch das Gesicht des Mannes mit Vatermörder ist verschattet – nichts Genaueres weiß man nicht. Ein besonders hübscher Anblick ist der jener üppigen Dame mit tuffigem Hutbesatz, die auf einem zierlichen Esel bereit zum Ausritt in die fremden Welten scheint. Beglücken konnte von Oppenheim die Frauen mit orientalischen Kostümen. Er selbst kleidete sich stets europäisch, auch im Wüstenzelt. Auf einer Postkarte ist eine Dame zu erkennen, „B.J.B“ nennt sie sich, das Gesicht hält sie geheimnisvoll hinter einem orientalischen Schleier versteckt. Unter das Porträt schreibt sie in geschwungener Schrift: „In memory of happy days.“ Mein Schleier. Meine schöne Zeit.

Museum für Fotografie, bis 15. Mai, Jebensstraße 2, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr

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