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Kultur: Späterer Ehekrach ausgeschlossen

Die Berlinische Galerie zeigt die Sammlung des Unternehmers Hartwig Piepenbrock

Ein polternder Kurator, ein beleidigter Großsammler, ein kaum handlungsfähiges, heftig kritisiertes Museum: Berlin ist von der Krise am Hamburger Bahnhof entsetzt. Ganz Berlin? Nein! Wie eine Insel der Seligen wirkt die Berlinische Galerie, in der zurzeit 150 Kunstwerke aus der Privatsammlung des Unternehmers Hartwig Piepenbrock glänzen. Ohne Rangeleien im Hintergrund. Es gibt keine Dauerleihverträge, vor späteren „Ehekrächen“ muss also nicht gezittert werden.

„Ich möchte nicht mit einem Haus identifiziert werden“, sagt Piepenbrock und zeigt seine Lachfalten. Dem Museum und sich „schenkt“ er die Ausstellung zum 70. Geburtstag. Dauerhaft würde er seine Sammlung nirgendwo platzieren wollen – abgesehen natürlich von seinem herrschaftlichen Anwesen in Berlin-Gatow: Die kostbaren Gemälde hängen im Landhaus, davor breitet sich ein 2,3 Hektar großer Skulpturenpark aus, der im schön gestalteten Ausstellungskatalog eingehend gewürdigt wird.

Skulptur spielt für den Sammler, der einmal Architekt werden wollte, eine herausragende Rolle. Zwangsläufig mussten Highlights seiner Kollektion befristet ins Museum umziehen: ein filigranes Mobile von Alexander Calder, eine üppige Meerjungfrau von Henri Laurens oder Tony Craggs Bronze-Wirbelsturm „Point of View“, dessen Profil sich beim Herumgehen unablässig wandelt. Neben Cragg, der 2002 den hoch dotierten Piepenbrock-Preis für Skulptur bekam, bezeugen Arbeiten von Nachwuchspreisträgern wie Felix Schramm oder Thomas Rentmeister von Piepenbrocks Interesse für junge Künstler. Kaum in der Präsentation behaupten können sich (hochkarätige) Kleinplastiken von Henry Moore bis Rolf Szymanski, was mit der schwer zu bespielenden Treppenhalle der Berlinischen Galerie zusammenhängt.

„Ich sammle, was mir gefällt“, umschreibt Piepenbrock seine wenig an kunstwissenschaftlicher Systematik orientierte Leidenschaft. Am Rande einer Industriemesse 1979 gefiel ihm ein EmilNolde-Gemälde, das den Grundstock zu einer beachtlichen Expressionisten-Kollektion bildet. Das Museum klammert diesen Sammlungsschwerpunkt jedoch aus, konzentriert sich auf die Nachkriegskunst.

Die deutschen informellen Maler hatten es Piepenbrock in den achtziger Jahren besonders angetan: Emil Schumacher beherrscht das Entree, gefolgt von Bernhard Schultze und Fred Thieler. Die deutsche Entwicklung von der figurativen („Badende“, 1939) bis zur abstrakten Expression („Dreiklang Punktuell“, 1963) können an exemplarischen Gemälden von Ernst Wilhelm Nay studiert werden. Ebenso die so ganz anders sich entwickelnde Malerei in Ostdeutschland, die in der Berlinischen Galerie demonstrativ mit der westdeutschen zusammengehängt wird.

Hier dominieren Bernhard Heisigs kaleidoskophafte Figurenbilder. Mit dem gewaltigen Heisig-Triptychon „Zeit der Haie“ entdeckte der gebürtige Osnabrücker 1989 die Maltradition des ehemals „anderen Deutschland“ für sich. Seine Grenzen und Genres überschreitende Sammelleidenschaft hat sich Hartwig Piepenbrock bis heute bewahrt.

„Einblicke“ – Sammlung Hartwig Piepenbrock in der Berlinischen Galerie, Alte Jakobstraße 124 – 128, bis 27. August, Mi-Mo 10 bis 18 Uhr. Der Katalog kostet 19,80 €

Jens Hinrichsen

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