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Kultur: Spätes Erwachen

Bernhard Schulz über neue Schritte zur Rückgabe von NSRaubkunst Die Aufdeckung zahlreicher ungeklärter Fälle von Kunstschätzen, die unter dem Nazi-Regime beschlagnahmt, enteignet, entwendet oder zwangsversteigert worden und später in scheinbar bestem Glauben in Museen und Archive gelangt waren, rüttelte Ende der Achtziger Jahre weltweit die Politik auf. Die Washingtoner Konferenz über NS-Kunstraub vom Dezember 1998 forderte zur Rückgabe jenseits juristischer Spitzfindigkeiten an die – in aller Regel jüdischen – Eigentümer oder ihre Erben auf; die Bundesregierung schloss sich umgehend dieser „Washingtoner Erklärung“ an.

Bernhard Schulz über neue

Schritte zur Rückgabe von NSRaubkunst

Die Aufdeckung zahlreicher ungeklärter Fälle von Kunstschätzen, die unter dem Nazi-Regime beschlagnahmt, enteignet, entwendet oder zwangsversteigert worden und später in scheinbar bestem Glauben in Museen und Archive gelangt waren, rüttelte Ende der Achtziger Jahre weltweit die Politik auf. Die Washingtoner Konferenz über NS-Kunstraub vom Dezember 1998 forderte zur Rückgabe jenseits juristischer Spitzfindigkeiten an die – in aller Regel jüdischen – Eigentümer oder ihre Erben auf; die Bundesregierung schloss sich umgehend dieser „Washingtoner Erklärung“ an. Alsbald begannen große deutsche Museen mit der Gewissenserforschung und förderten manches zweifelhafte Stück zutage, während umgekehrt Ansprüche von Überlebenden der NS-Verfolgung angemeldet – und in den allermeisten der rund zwei Dutzend bekannt gewordenen Fälle auch einvernehmlich befriedigt wurden. Seither hat sich der Sturm etwas gelegt, es sind auch kaum neue Zweifelsfälle mehr aufgetaucht.

Mit gehöriger Verzögerung also nimmt die hochrangig besetzte Kommission zur Rückgabe von NS-Raubkunst ihre Beratungstätigkeit auf; sie ist gestern in Berlin erstmals zusammengetreten, spät, aber angesichts der Sachlage nicht vollends zu spät. Andererseits haftet dem Vorgang das Odium der bürokratischen Überkorrektheit an. Denn in Deutschland sind widerrechtlich enteignete Kunstwerke nicht erst seit 1998 zurückgegeben oder entschädigt worden, sondern – im Rahmen der unselig so genannten „Wiedergutmachung“ – zu Tausenden in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Darauf sich allzu bequem verlassen zu haben, ist der Vorwurf an die Museen, die erst durch einige für sie schmerzliche Rückgaben aufgeschreckt werden mussten, ehe sie die Erforschung der Herkunft ihrer Schätze mit Nachdruck betrieben. Die jetzt etablierte Kommission wird da nicht mehr allzu viel zu tun bekommen. Aber sie mag – eher rechtsphilosophisch ausgerichtet, wie sie ist – Bedenkenswertes zum Verhältnis von Justiz, Geschichte und Moral beitragen.

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