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Kultur: Sparkassencharme

Kunst aus Ostdeutschland im Bundeskanzleramt

Dass das Bundeskanzleramt für Kunst nicht unbedingt geeignet sei, ist nicht neu: Die offenen, durchbrochenen Räume, die geschwungenen Wände und nicht zuletzt das helle Licht sind keine optimalen Bedingungen für Ausstellungen. Die Werke der Sammlung Marx, zur Eröffnung des Baus geliehen, mussten entfernt werden, weil das Licht aus konservatorischer Sicht zu hell war. Seitdem verkriechen sich die Bilder in Seitengänge und Nischen, wo sie nur noch den dort Beschäftigten zugänglich sind. Kunst im Bundeskanzleramt? Ein Fall für Staatsgäste, für Besuchergruppen und - einmal im Jahr, am Tag der offenen Tür - für normale Bürger.

Dabei haben solche Ausstellungen längst Tradition: Helmut Schmidt hatte im Bonner Bundeskanzleramt Werke von Künstlern präsentiert, die während der NS-Zeit als „entartet“ verfemt worden waren. Helmut Kohl hatte die Tradition mit gegenständlicher Kunst fortgesetzt, und Gerhard Schröder hat mit Eduardo Chillida, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer und Georg Baselitz auf prominente zeitgenössische Kunst gesetzt.

Nun soll die ostdeutsche Szene jenseits der Kunst-Zentren Berlin, Leipzig und Dresden vorgestellt werden. Die von Wolfgang Ritter zusammengestellten „Beispiele zeitgenössischer Kunst aus den Neuen Ländern“ leiden jedoch unter den Unbillen des Raums. Auf rollbaren Stellwänden präsentiert sich die Einführung, die die 14 Künstler mit Lebensdaten vorstellt, mit dem Charme einer Sparkassenfiliale. Das großartige Foyer, die starkfarbigen Lüpertz-Wände stehlen den Künstlern mit Leichtigkeit die Schau.

Die eigentliche Ausstellung im südlichen Seitentrakt ist dann doch überraschend vielfältig: Von den feinsinnigen Puzzles, Leporellos und Zeichnungen, mit denen Gerlinde Creutzburg Gedichte von Annett Gröschner und Oskar Pastior illustriert, über Sabine Herrmanns starke, monochrome Farbflächen bis zu Thomas Nicolais Orakel-Konstruktion aus Draht und Stahl spannt sich ein eindrucksvoller Bogen. Daneben jedoch auch viel Mittelmäßiges wie Hermann Geyers angekitschte Stadtlandschaften samt regenbogenfarbigem Engel, Veit Larischs effekthascherische Grafiken und Moritz Götzes comichafte Deutschlandbilder. Ein repräsentativer Überblick über ostdeutsche Kunst ist das nicht, dazu fehlen Stars wie Neo Rauch oder Olaf Nicolai.

So bleiben am Ende, nach Wurstbroten, Rotkäppchen-Sekt und launigen Kanzlerworten, vor allem Irritationen: Ist es Zufall, dass allein acht der 14 Künstler aus dem Vogtland, der Heimat des Kurators stammen? Was hat es zu bedeuten, dass dem Katalog gleich eine Preisliste beigelegt wird, so dass die ganze Unternehmung wie eine Galerie-Präsentation wirkt? Und, nicht zuletzt: Wer entscheidet eigentlich darüber, mit welcher Kunst sich Deutschland in seinem zweithöchsten Staatsgebäude nach außen hin präsentiert? Immerhin sitzt mit Julian Nida-Rümelin ein leibhaftiger Kulturstaatsminister im Haus, der es sich zum erklärten Ziel gesetzt hat, die zeitgenössische Kunstszene zu fördern. Stattdessen entsteht der Eindruck von Provinzialität und Beliebigkeit.Christina Tilmann

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