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Berühmt-berüchtigt. Die umstrittene Elbphilharmonie in Hamburg ist ein Erfolgsbeispiel für „public private partnership“. Foto: dpa

© dpa-tmn

Kultur: Sparstrümpfe und Pfeffersäcke

Von der Kunst des Vermarktens: Eindrücke vom Berliner „Kulturinvest-Kongress 2011“

Da rieben sich die Bürger von Hannover die Augen. Mitten im von Baustellen verwüsteten Herz ihrer Stadt, am Kröpcke, ragte im Februar dieses Jahres ein Schild empor, das verkündete: „Hier entsteht eine Moschee.“ Eine Ansicht des von Minaretten dominierten Platzes war auch gleich dabei. Und eine Telefonnummer für weitere Informationen. Gemüter und Leitungen liefen schnell heiß. Auf der Gegenseite aber meldete sich kein islamischer Bauverein, sondern das Schauspiel Hannover als Urheber des Plakats – und informierte über seine nächste Premiere. „Moschee DE“ reflektiert die Auseinandersetzung um den Bau einer Moschee in Berlin-Heinersdorf. Ein gelungener Theatercoup mit den Mitteln der Guerilla- PR, der dem Schauspiel Hannover nicht nur Aufmerksamkeit für seine neue Produktion einbrachte, sondern das Theater auch als Ort aktueller Debatten in der Stadt positionierte.

Normalerweise gilt die RWE-Kulturstiftung innerhalb des Energieversorgungskonzerns als harmlose „Exotenabteilung“. Jüngst allerdings eckten die Kunstförderer intern dann doch ziemlich an: als nämlich einer ihrer „artists in residence“ eine Fotoserie über den Braunkohletagebau Garzweiler ausstellte. So poetisch-ästhetisch die Aufnahmen auch sein mochten – großformatige Bilder über jenes Revier, das RWE besonders viele Negativschlagzeilen einbrachte, mochte mancher Verantwortliche dann doch nicht in den Fluren des eigenen Verwaltungsgebäudes sehen. Da galt es dann für die Stiftungsmitarbeiter, standhaft die Freiheit der Kunst zu verteidigen, auch der gesponserten.

Zwei Beispiele für das komplexe, sich wandelnde und nicht immer ganz reibungsfreie Zusammenspiel von Wirtschaft, Kultur und Publikum. Über die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Dreiecksbeziehung diskutierten jetzt zwei Tage lang mehr als 400 Fachleute beim „Kulturinvest-Kongress“ in den Veranstaltungsräumen des Tagesspiegel-Hauses am Askanischen Platz. Oliver Scheytt, als langjähriger Essener Kulturdezernent, Geschäftsführer des Kulturhauptstadtjahrs „Ruhr 2010“ sowie als Unternehmensberater mit allen Seiten vertraut, zitierte in seinem Eröffnungsvortrag Stefan Raab. Der brachte in einem Song auf den Punkt, worum es letztlich immer geht: Wadde hadde dudde da? Wer hat welches Produkt zu bieten – und wie lässt es sich hinbekommen, dass alle Partner von dem Handel profitieren, die finanziell Not leidenden Institutionen und ihre Besucher wie auch jene Firmen, die sich durch kulturelles Engagement einen positiven Imagetransfer erhoffen.

Einige, denen dies besonders gut gelungen ist, wurden am Donnerstagabend im Tipi am Kanzleramt mit dem Kulturmarken-Award 2011 ausgezeichnet. Gleich zwei Preise konnte dabei das thüringische Städtchen Gotha abräumen, in der neuen Rubrik des „Freundeskreises des Jahres“, der an die dortigen „Museumslöwen“ ging, wie auch im Bereich Stadtmarketing. Zur Trendmarke 2011 wurde das „Podium Festival Esslingen“ gekürt, eine Eigeninitiative junger Musiker. Dem Wiener Burgtheater brachte eine plakative Imagekampagne die Ehrung als beste Kulturmarke ein. Großkonzerne, die sich ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen stellen, waren vertreten durch den Audi-Kulturmanager Jürgen Bachmann sowie durch Bayer, den Kulturinvestor des Jahres – Letzterer pointiert gelobt von Tagesspiegel-Chefredakteur und Laudator Stephan-Andreas Casdorff.

Wie Wirtschaft in Kultur investiert, unterliegt einem steten Wandel. „Bewertbare Erfolge“ sollen am Ende der Bemühungen stehen, die sich nicht allein darin messen lassen, ob durch Opernsponsoring mehr Autos verkauft wurden. Das kann sogar nach hinten losgehen, wie Jürgen Bachmann berichtet: Einladungen zu zeitgenössischem Musiktheater können schlimmstenfalls zu stornierten Aufträgen führen. Zudem findet klassisches Sponsoring kaum Medienaufmerksamkeit. Für Audi heißt die Konsequenz: mehr eigene Veranstaltungsformate entwickeln, selber Kulturanbieter werden. Ganze Festivals werden in Ingolstadt erdacht, 450 Kulturveranstaltungen organisieren Bachmann und sein Team inzwischen pro Jahr – um als attraktiver Arbeitgeber, Motor einer Region und glaubwürdige Marke zu gelten.

Ähnlich der Weg, den Vodafone im deutschen Firmensitz Düsseldorf einschlägt. Als Hautsponsor unterstützt das Unternehmen mit der „Jazz Rallye Düsseldorf“ nicht nur das mit 300 000 Besuchern größte deutsche Jazzfestival. In einem Hangar mit Blick auf startende Airbusse wird im Rahmen des bereit eingeführten Festivals ein eigenes Konzert veranstaltet, Bandwettbewerb inklusive. Das Ergebnis: Die Wahrnehmung der Marke Vodafone stieg deutlich an.

Über mangelnde Medienaufmerksamkeit kann sich die Elbphilharmonie nicht beklagen – die Querelen um Bauverzögerungen haben das Konzerthaus am Hamburger Hafen international berühmt-berüchtigt gemacht. Und immer noch ist kein Eröffnungstermin in Sicht. Andererseits hat das Haus aber auch schon eine Erfolgsgeschichte geschrieben, wie Elbphilharmonie-Geschäftsführer Gereon Röckrath eloquent darlegt. Nämlich als Beispiel für public private partnership, also der Partnerschaft von öffentlicher Hand und Wirtschaft. Das neue Wahrzeichen wird unter einem Dach neben dem kostenintensiven Konzertsaal auch gewinnbringende Bereiche wie ein Hotel, Gastronomie, Eigentumswohnungen und ein Parkhaus vereinen.

Neidisch auf hanseatische Mäzenatentradition macht eine andere Zahl. 68 Millionen Euro haben wenige Superreiche für das Prestigeprojekt spendiert. Die Breitenkampagne, mit der man mehrere Jahre lang versuchte, Kleinspender zu motivieren, brachte dagegen nur eine Million Euro. Die nicht abreißende Kette der Horrormeldungen von der Baustelle hat nicht die „Hamburger Pfeffersäcke“, wohl aber den „kleinen Mann“ nachhaltig demotiviert. Um es im Marketingsprech zu sagen: da warten neue Herausforderungen.

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