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Spendenkampagnen: Schuhcreme und lila Pinselstriche

Stars werben im Café Einstein für Hungerhilfe. Die Ausstellung will politisch korrekt sein - und ist es doch gerade nicht.

Was haben Blattgoldapplikationen auf der Schulter von Anja Kling mit dem Hunger in der Sahelzone zu tun? Warum trägt Katja Riemann Rastalocken? Ihren Hals ziert ein Band aus orangenen Linien und weißen Punkten. „Ethnische Motive“ haben sich 20 Stars aus Film und Fernsehen für eine Fotoausstellung der Welthungerhilfe auf ihre Körper pinseln lassen. Zur Zeit ist die Schau in der Galerie des Café Einstein Unter den Linden zu sehen. Dass Blattgold und flotte lila Pinselstriche nicht gerade der Kultur westafrikanischer Nomadenstämme entsprechen, hindert die engagierten Models nicht, betroffen von den Plakaten zu blicken.

Mirjam Knickriems Fotoserie ist schön anzusehen, lustig tanzen die bunten Bemalungen über die Körper der Promifrauen. Man will soziale Verantwortung übernehmen – aber um wen geht es hier noch mal? Sind die Bewohner der Sahelzone zu abstoßend, um als identifikationsstiftende Postermodels zu taugen? Dürrekatastrophen, die Zerstörung lokaler Märkte, die globale Ungerechtigkeit – damit will man den potenziellen Spender wohl nicht behelligen Auch für die Webseite des Projekts „Mali in Color“ hat Knickriem lieber Persönlichkeiten wie Hellmuth Karasek in bunte afrikanische Tücher gehüllt – mit nichts darunter, damit sie in direkten Kontakt mit „dem Fremden“ treten können.

Werbung für Spendenkampagnen grenzt schnell an Peinlichkeit und Chauvinismus. 2007 erntete Unicef Proteste, als das Hilfswerk weiße Kinder mit brauner Schminke im Gesicht abbildete, zu Slogans wie „In Afrika kommen die Kinder nie zu spät zur Schule. Sondern überhaupt nicht“. Da wurde ein ganzer Kontinent mit all seinen Kulturen und Problemen über einen Kamm geschoren, zudem wurde die alte Praxis des Blackfacing wiederbelebt. Weiße, die sich als Schwarze schminken, das war zu Zeiten der Minstrel-Shows in Amerika eine übliche, rassistische Praxis. Bis heute wird darüber gestritten, in Berlin zum Beispiel wegen einer „Rappaport“-Inszenierung im Schlossparktheater. Die Journalistin Noah Sow schreibt dazu in ihrem Buch „Deutschland Schwarz Weiß“: „Weiße können Schwarze verstehen und sich mit ihnen solidarisieren, indem sie sich mit Schlamm oder Schuhcreme anmalen.“ Knickriem hat dasselbe mit Farbe und Blattgold gemacht.

Es geht auch anders. „Brot für die Welt“ wirbt mit einer funkensprühenden Ähre für „Brot statt Böller“: Statt Geld für Feuerwerk zu verballern, soll man fair gehandelte Lebensmittel für Silvester kaufen. Klar, wenn die Empfänger der Wohltaten abgebildet werden, tappt man leicht in die Falle des Elendsvoyeurismus, des gutmenschelnden Grusels angesichts ausgemergelter Babys. Dabei hat Mirjam Knickriem aus Mali auch sehr eindringliche Porträts mitgebracht. Und Unicef warb kürzlich mit einem Plakat, auf dem zwei vielleicht Sechsjährige mit Garben auf dem Rücken zu sehen waren. Unterschrift: „Ich bin ein Kind.“

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