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Kultur: Spiegel des Augenblicks

KLASSIK

Ist sie etwa Programm, die blutrote Jacke, die Maestro Daniel Barenboim auf dem Foto im Philharmoniker-Programmheft trägt? Dabei ging der potenzielle Vorruheständler in der ausverkauften Berliner Philharmonie (noch einmal heute, 20 Uhr) mal wieder als dirigierender Solist zu Werke und also gleich in doppelter Funktion – als wollte er allen Zweiflern das Zweifeln mit einer Extraportion energischer Vitalität austreiben. Und Berlins Philharmoniker unterstützten ihn dabei nach Kräften. Im wunderbar schwebenden „Panorama ciego“ für Klavier und Orchester von Isabel Mundry zu Beginn setzen sie immer wieder kraftvolle Schwelltöne wie Pfähle in die zerklüftete Landschaft des hochdissonanten, hochgespannten Satzes.

Spannungsreiche Bögen liegen dem Musiker Barenboim, wie man weiß, ganz besonders am Herzen. Mit seiner Interpretation von Wolfgang Amadeus Mozarts A-Dur Klavierkonzert, vielleicht dem klassischsten des Wiener Klassikers, belegte er das eindrücklich. Das unendlich traurige Adagio ließ kurz vergessen, dass dies eigentlich der Abend der kompromisslosen Lebensbejahung werden sollte. Was der dritte Satz des Konzerts an traurigen Gedanken nicht wegblasen konnte, schaffte dann eine waldbühnenreife Mixtur aus Werken Maurice Ravels. Die „Rhapsodie espagnole“, die „Alborada del gracioso“ aus den „Miroirs“ und den Bolero servierte Barenboim überzeugend und mit dem gern fußstapfenden Temperament eines Flamenco-Tänzers.

Von der verhaltenen Melancholie der „Pavane pour une infante defunte“ wusste der Maestro an diesem Abend jedoch nichts zu erzählen. Oder wollte er vielleicht nicht? Wie sagt Daniel Barenboim im Interview mit der neuen Hochglanzzeitschrift der Philharmoniker so schön: „Wir gebrauchen viel zu wenig Lebensenergie, um die guten Momente zu verlängern und die schlechten zu verkürzen.“ Herzlichen Dank für die Verkürzung, lieber Maestro!

Helge Rehders

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