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Kultur: Spiel auf Zeit

Die Staatsoper zieht ins Schillertheater – und Berlin wartet nicht länger auf den Bund

Jetzt ist es amtlich: Es wird das Schillertheater mit 1000 Zuschauerplätzen und nicht der Admiralspalast. Endlich, möchte man meinen, geht es los mit der Opernzukunft.

Dass das Warten fürs Erste ein Ende hat, liegt an der Ungeduld von Berlins Regierendem Kultursenator Klaus Wowereit, der gestern in Sachen Oper überraschend selbst vor die Presse trat. Die Sanierung der Staatsoper kann im Juli 2010 beginnen, weil das Schillertheater als Ersatzspielstätte mit Landesmitteln flott gemacht wird und das Staatsballett seinen Standort in die Deutsche Oper an der Bismarckstraße verlegt. 239 Millionen Euro soll die Sanierung der Lindenoper kosten, einschließlich der Erneuerung der Bühnentechnik, der Verbesserung der Akustik und der Sichtverhältnisse in den Rängen. Voraussichtliche Dauer: 42 Monate.

Wowereits Ungeduld ist strategischer Natur. Am 6. Dezember muss der Nachtragshaushalt 2008/09 unter Dach und Fach sein, später gibt es keinen Spielraum mehr. Eine Verzögerung der Sanierung um zwei weitere Jahre kommt für den maroden Knobelsdorff-Bau nicht infrage.

Berlin prescht vor, entscheidet über das Ausweichquartier – und lässt viele Fragen offen. Ohne das mehrfach avisierte Treffen von Wowereit und Kanzlerin Merkel abzuwarten, ohne die finale Einigung mit dem Bund über dessen Anteil (200 Millionen Euro) an den Sanierungskosten und die Budgetaufstockung der unterfinanzierten Opernstiftung werden von Berliner Seite die Gelder fürs landeseigene Schillertheater bereitgestellt. 20 Millionen Euro kostet dessen Herrichtung, die Verbreiterung des Orchestergrabens und die Erneuerung der Obermaschine. Für Büro- und Probenräume des Balletts in der Deutschen Oper fallen zusätzlich 3,4 Millionen Euro an. Wobei das Staatsballett auch künftig in allen Häusern auftreten wird: der Staatsoper, der Deutschen und der Komischen Oper.

Berlin, die tun was? Eine Vorleistung, die den Bund unter Druck setzt? Oder ist’s übereilter Aktionismus, der der Opernkanzlerin Zeit verschafft? Nein, Wowereit kann gar nicht anders. Bund und Land sind sich zwar in Sachen Kultur weitgehend einig; gestern bekannte der Regierende öffentlich, dass Berlin den Staatsopern-Etat aufstocken wird. (Offen ist nur noch die Frage, ob es die vom Bund gewünschten 10 Millionen Euro werden – und auch die anderen Häuser mehr bekommen.) Aber die Hauptstadtverhandlungen als Ganzes drohen zu scheitern, wegen der Uneinigkeit in Sachen Flughafen Tempelhof. Unter dem aus Berliner Warte ärgerlichen Junktim Oper/Flughafen soll nun nicht ausgerechnet das Musiktheater leiden.

Klaus Wowereit will also nicht signalisieren, dass Berlin es notfalls auch alleine schafft. Die Staatsopern-Sanierung stemmt das Land niemals ohne den Bund. Er will die Opernsache nur seinerseits so weit wie möglich vorantreiben. Eile mit Weile: Der Bund steht im Wort, jetzt erst recht, Tempelhof hin oder her.

Allerdings hat das Vorpreschen eine unangenehme Nebenwirkung. Es bleibt zunächst bei der im Haushalt festgeschriebenen Absenkung des Opernstiftungsetats. Die heftig diskutierte Anhäufung von deren strukturellem Defizit bis 2010 (11,4 Millionen Euro) führt aber erst in zwei Jahren zur Zahlungsunfähigkeit. Bis dahin können die Bühnen ihre Rückstellungen aufbrauchen und auf ein gutes Ende des Hauptstadtdeals warten.

Die Häuser nehmen die Neuigkeiten gelassen zur Kenntnis. Weil nichts davon tatsächlich neu ist. Weil man Wowereits Einsatz für die Musiktheater zu würdigen weiß. Und weil es kontraproduktiv wäre, bei den schwebenden Verhandlungen zwischen Bund und Land dazwischenzufunken. So hoffen die Lindenoper und ihr Generaldirektor Daniel Barenboim weiter auf die Erhöhung ihres Etats – und hätten nichts dagegen, wenn auch die Gelder für die anderen Bühnen aufgestockt würden.

Nun ist der Bund am Zug. Und Berlin sollte sich zur gütlichen Lösung des Opernstiftungs-Dilemmas durchringen. Zur Lösung für alle drei Häuser. Die Zukunft hat begonnen. Sie muss nur noch gestaltet werden.

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