zum Hauptinhalt

SPIEL Sachen: Rapunzel und der Kurzhaarschnitt

Die schlechte Nachricht: Die Fußball-WM ist am Sonntag vorbei, die Feierlaune sowieso. Und sämtliche durch Müller-Pässe und Klose-Tore erfolgreich bemäntelten Probleme im einig Partyland liegen ab sofort wieder offen zutage.

Die schlechte Nachricht: Die Fußball-WM ist am Sonntag vorbei, die Feierlaune sowieso. Und sämtliche durch Müller-Pässe und Klose-Tore erfolgreich bemäntelten Probleme im einig Partyland liegen ab sofort wieder offen zutage.

Die gute Nachricht lautet: Das Public Viewing geht weiter! Und zwar im Theater. Beim Festival „Theater der Welt“, das zurzeit in Mülheim und Essen stattfindet, werden dieser Tage bereits völlig neuartige, zukunftsweisende Techniken getestet. Der finnische Regisseur Kristian Smeds zum Beispiel hat für seine Tschechow-Inszenierung „Der Kirschgarten“ unweit der litauischen Hauptstadt Vilnius einen echten, dramenaffinen Garten mitsamt Datscha aus realsozialistischen Sowjettagen aufgetan. Von dort aus lässt er die Aufführung per Videostream live zur Mülheimer Theaterfanmeile übertragen. Die befindet sich in der Stadthalle und ist zugegebenermaßen winzig im Vergleich zu den Massenansammlungen, die man in diesen Tagen auf der Straße des 17. Juni erblickt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!

Andererseits: Man fühlt sich schon ein wenig zur richtigen Zeit am falschen Ort, wenn im Kirschgarten bei Vilnius lauter sommerlich gekleidete Theaterfans mit Grillgut in der Hand auf Campingstühlen die letzte Party vor der Gutsversteigerung mitfeiern, während man selbst ohne Wein und Steak in einem dunklen Theatersaal vor der Leinwand hockt.

Im sommerlichen Berlin hingegen gibt es dramatische Public-Viewing-Orte en masse, bei denen die Schauspieler noch ganz klassisch live und leibhaftig auftreten. Die bekannteste Adresse ist sicher das Hexenkessel Hoftheater, das in seinem saisonalen Amphitheater im Monbijoupark (Eingang Monbijoustraße) am Montag, 21.30 Uhr, mit einer Premiere aufwartet: „Romeo und Julia“, Shakespeares Liebestragödie par excellence, hat das Team um Regisseur Jan Zimmermann zwar knigge-technisch korrekt in „Julia und Romeo“ umbenannt. An der herzzerreißenden Tragik dürfte das aber nichts ändern. Die verfeindeten Eltern Montague und Capulet, die ihren Kindern die Beziehung verbieten und so eine fatale Handlungskette mit mehreren Todesopfern in Gang setzen, werden durch den Stellungswechsel im Dramentitel kaum altersweiser geworden sein.

Auch die Bar 25 (Holzmarktstraße 25) lädt jetzt zum Public-Theater-Viewing unter freiem Himmel. Heute, 22 Uhr, unternimmt ausgerechnet die HexenkesselCrew mit Brüder-Grimm-Bearbeitungen für Erwachsene einen kleinen Seitensprung und müht sich aufopferungsvoll, das leicht verpatzte „Sommermärchen“ doch noch zu einem positiven Ende zu führen. Auch, wenn der Weg zum Happy End für „Rapunzel“ und „Rotkäppchen“ durch unattraktive Wolfsbäuche und Jugendjahre im Turm mit unfreiwilligem Kurzhaarschnitt führt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false