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Herta Müller muss ihre Ansichten über Oskar Pastior jetzt wohl "revidieren".

© dpa

Spitzelberichte: Herta Müller über Vorwürfe gegen Pastior bestürzt

Die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller ist schockiert über die neuen Spitzelvorwürfe gegen ihren Freund und Kollegen Oskar Pastior. "Ich werde ihn nicht mehr in Schutz nehmen können", sagte Müller.

Oskar Pastior (1927 - 2006) horchte in den sechziger Jahren Autorenkollegen für den rumänischen Geheimdienst Securitate aus und fertigte entgegen ersten Annahmen auch belastende Berichte an. "Ich werde ihn nicht mehr in Schutz nehmen können", sagte Müller. Ihr Roman "Atemschaukel", der auf Pastiors Erinnerungen an die Gefangenschaft in einem sowjetischen Lager beruht, hätte sie so nicht geschrieben.

"Es wäre zu der Zusammenarbeit mit Pastior wohl nicht gekommen, wenn ich von seiner Verstrickung gewusst hätte", sagte die 57-Jährige. Und weiter: "Mit den Gefühlen muss ich allerdings selbst fertig werden." Über Pastior sagt sie: "Es ist die Geschichte eines Menschen, der aus einem sowjetischen Lager in die Unfreiheit entlassen wurde. Er war in einem Spagat gefangen zwischen seiner Homosexualität und den Erpressungsmöglichkeiten der Securitate wegen sieben Gedichten, die er über das Lager geschrieben hatte. Sie wurden ihm zum Verhängnis."

Müller und Pastior arbeiteten drei Jahre an "Atemschaukel" und wollten das Buch gemeinsam herausgeben. "Wir haben viel über seine Kindheit vor dem Lager gesprochen, aber kein Wort über die Zeit danach", sagte Müller. Pastior starb 2006, kurz nachdem ihm der Büchner-Preis zuerkannt worden war.

In der "FAZ" hat nun der rumänisch-deutsche Autor Dieter Schlesak über Pastiors Securitate-Akte berichtet. Darin habe er einen Spitzelbericht von "Otto Stein" gefunden – Stein war Pastiors Deckname. Pastior habe offenbar auch die Tragödie um den siebenbürgischen Dichter Georg Hoprich zu verantworten, so Schlesak. Der von der Securitate verfolgte Hoprich brachte sich 1969 um. Herta Müller bezweifelt diese Aussagen Schlesaks: "Das beruht nur auf Hörensagen, dazu gibt es bisher keine Dokumente und ich finde es unverantwortlich von Schlesak, so schwere Vorwürfe zu erheben."

Die Vergangenheit Pastiors kam ans Licht, als der Direktor des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südeuropas in München, Stefan Sienerth, Mitte September erstmals über Pastiors Zusammenarbeit mit der Securitate berichtete. Bislang sei er der Meinung gewesen, Pastior habe sich aus Angst darauf eingelassen, sei aber darauf bedacht gewesen, niemandem zu schaden: "Diese Ansicht muss ich nun revidieren.", so Sienerth. (Tsp/dpa)

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