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Kultur: Sprachlos im Universum

„Die letzte Botschaft ...“ im Berliner Maxim Gorki Theater

David Greig, 1970 in Edinburgh geboren, schickt die Figuren seines balladesken Stücks „Die letzte Botschaft des Kosmonauten an die Frau, die er einst in der ehemaligen Sowjetunion liebte“ in die zähe Auseinandersetzung mit Sprachlosigkeit. Welcher Beruf, welche Beschäftigung, welche Daseinsform ihnen auch zugeschrieben wird, sie sind und sie bleiben allein, fest verschlossen in einer kalten, nüchternen Einsamkeit. Weit oben, sichtbar am nächtlichen Sternenhimmel, kreisen zwei sowjetische Kosmonauten in dem „Harmonie 114“ genannten Modul – als Vergessene, aus der Zeit Gefallene. Und doch haben sie seltsame Beziehungen zu ein paar Erdenbewohnern - einer Erotiktänzerin, einem schottischen Angestellten, einem französischen Raketenforscher, einem Mitarbeiter der Weltbank, auch zu einer Polizistin, einem debilen Patienten, einer ältlichen Amüsierdame.

Bizarrer könnte diese Gruppe durch die Welt trudelnder Individuen nicht sein, ihre Berührungen sind vage und märchenhaft, schmerzvoll und verrätselt. So mag man die Trauer der Kosmonauten-Tochter Nastassja um ihren im Weltall seine Kreise ziehenden, für sie verlorenen Vater als ein Angebot für eine nachvollziehbare Geschichte verstehen. Aber die ist dann eben mit lauter Versatzstücken drapiert, mit Prostitution und UFO-Glaube, mit Globalisierungs-Wahn und Selbstauslöschung. David Greigs Botschaft, dass man miteinander reden und einander verstehen muss, ist willkürlich auf diesen Reigen gespensterhafter Geschöpfe aufgepfropft, die im Weltall verglühen, mit Schlaganfall enden, vom Dach fallen oder in einer schottischen Bar wieder auftauchen.

Wie aber installiert man auf einer Bühne den Blick aus dem Weltraum hinunter ins Menschen-Geschehen? Greigs Stück fordert zwangsläufig allerlei technischen Schnickschnack – im Gorki Studio baute Bühnengestalter Matthias Schaller einen kompliziert beengten Hochsitz für die beiden Kosmonauten unter die Decke und rahmte die glänzend schwarze Bühne mit sechs Fernsehgeräten. Dort sind Ortsangaben, grafische Spielereien, Sichten auf die Erde, auch mal verschwommene Gesichter zu sehen. Den Darstellern hilft das wenig, die müssen in den kurzen Szenen auf die Sekunde in ihren jeweiligen Rollen sinnlich erkennbar sein. Der Wirbel der Orte wird noch dadurch verstärkt, dass die vier Männer und vier Frauen neben den beiden Kosmonauten und dem Patienten von nur zwei Schauspielern und zwei Schauspielerinnen verkörpert werden.

Sandrine Hutinet, die Regisseurin, hat das mit ihrem Ensemble zwar klug und zupackend bewältigt, über die allzu sorglosen Verknüpfungen des lustvoll heterogenen Stücks kommt sie nicht hinweg. Allenfalls gelingt der Zugang zur Kosmonautentochter Nastassja. Denn Anya Fischer lebt das Temperament und die Melancholie dieser jungen Frau, sie zeigt, nicht zuletzt mit ausgefeilter tänzerischer Beweglichkeit, das Unerfüllte, ja Brennende eines Menschen, der sich selbst finden will. Tim Hoffmann hat als Schlaganfall-Patient eine berührende Schlichtheit, das Ausweglose eines von aller Technik Ausgeschlossenen und Aufgegebenen macht er erlebbar mit kindlicher Naivität. Alle anderen, vor allem die eingezwängten Kosmonauten von Hilmar Baumann und Ulrich Anschütz, suchen mit möglichster Genauigkeit einen Weg zu ihren skizzierten Figuren zu finden – aber da bleibt doch zu viel in dem vom Autor lässig angebotenen Ungefähr.

Wieder am 7., 14. und 30. Mai.

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