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Kultur: Sprechen mit dem Vater

KAMMERMUSIK

Was für ein Anblick: Über der Kasse des Kammermusiksaals prangt das Schild „Ausverkauft!“. Alfred und Adrian Brendel sind in der Stadt und schaffen es, die sonst in Sachen Kammermusik so zurückhaltenden Berliner massenweise zu mobilisieren. Genau vor einem Jahr hat der Pianist seinen Cello spielenden Sohn erstmals in Berlin präsentiert – und wer das ebenso erhellende wie erhebende Konzert erlebt hat, will auch diesmal wieder dabei sein.

Die 1200 Besucher werden an diesem Beethoven-Abend nicht enttäuscht: Obwohl Adrian überraschenderweise mit dem Rücken zum Flügel Platz nimmt, stellt sich sofort eine intensive Kommunikation ein: Da sind zunächst Variationen über ein Thema aus „Judas Maccabäus“, besser bekannt unter dem Titel „Tochter Zion“, den Händels populäre Melodie später im evangelischen Kirchenmusikbuch erhielt: Hier, wie auch in der Sonate Opus 102/2, entspinnt sich ein virtuoser Dialog zwischen dem sehr charakteristischen, eloquenten Celloton des Sohnes und dem klugen, erklärend-analysierenden Klavierspiel des Vaters. Noch spannender ist die Interpretation der frühen F-Dur-Sonate, die die beiden Brendels als wildes Sturm- und-Drang-Charakterstück anpacken, sehr frei in der Tempowahl und mit Lust an klanglichen Überraschungseffekten.

Alfred Brendel, der große „objektive“ Beethoven-Interpret, entwickelt derzeit unüberhörbar einen Spätstil: Wie er die „Sturm“- Klaviersonate ins Bizarre wendet, vom ersten, provozierend zerdehntem Dreiklang bis zum gespenstisch verhuschten Schluss quasi una fantasia romantisiert – das verwirrt, fasziniert. Von diesem Künstler ist noch viel zu erwarten.

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