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Kultur: Sprechen Sie Kauderdeutsch?

Oh, felix Austria! 2004 hat Österreich mit Elfriede Jelinek eine Nobelpreisträgerin bekommen.

Oh, felix Austria! 2004 hat Österreich mit Elfriede Jelinek eine Nobelpreisträgerin bekommen. Arno Geigers gewinnt mit „Es geht uns gut“ den Deutschen Buchpreis. Daniel Kehlmann entert mit „Die Vermessung der Welt“ die Bestsellerlisten. Nun holt Franz Schuh auch noch den Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Sachbuch nach Wien. Die derzeitige literarische Potenz Österreichs kann man nur neidvoll bestaunen. Aber es ist ein neues Österreich. Geigers Familienepos und Kehlmanns Entdeckerroman kommen ohne den sprachspielerisch-geschichtenzerstörenden und österreichzentriert-gesellschaftskritischen Furor aus, den man von Jandl bis Bernhard kannte. Auch Franz Schuh hat sich von der Alpenrepublik verabschiedet und schwärmt aus nach Palermo, Birmingham oder Madrid. Dennoch ist er auf wunderbare Weise „altösterreichisch“: nämlich im Gestus des intelligenten Grantelns. 110 Texte stehen im preisgekrönten Essayband „Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche“ (Zsolnay). Sie handeln von einer Blasmusikkapelle im Salzkammergut, Charlie Chaplin, Schuhs Vater, der Nutzlosigkeit oder Langeweile. Formal schillern sie zwischen Aphorismus, Erzählung, Skizze und was es sonst an Kurzprosa-Genres gibt. Manchmal erinnern sie ans so genannte „Feuilleton“, die „kleine Form“ der geistreichen Plauderei, die in Alfred Polgar, Joseph Roth oder Anton Kuh österreichische Großmeister besaß. Manchmal sind es Essays, wie Adorno sie erträumte: unsystematisch und auf der Suche nach klar definierten Begriffen. Dem kommt entgegen, dass der deutschen Sprache, wie Schuh meint, im österreichischen Gebrauch ihre Eindeutigkeit fehlt. Wie sich sein „uneigentliches Sprechen“ anhört, kann man am 5. Mai (20 Uhr) im Literaturhaus (Fasanenstr. 23, Charlottenburg) erleben.

Dass Deutsch auch anders klingen kann, lernt man bei Zé do Rock . Der in Brasilien aufgewachsene Autor, Kabarettist und Filmemacher ist vor allem ein großer deutscher Sprachreformer. Nach „Fom Winde ferfeelt“ und „UFO in der Küche“ erschien „Deutsch gutt sonst Geld zuruck“ (Antje Kunstmann). Dieses ungewöhnliche „ler- und textbuk“ spielt durch, was vom Deutschen übrig bleibt, wenn es von allen Fremdeinflüssen gereinigt wird: „Siegfriedisch“ nennt das Zé do Rock. Alternativ hätten wir das „Kauderdeutsch“, das mit Spuren all jener Sprachen aufgeladen scheint, die der Autor schon einmal gehört hat – und das sind nicht wenige. Hier wird nicht nur Schabernack getrieben, sondern das Verhältnis von Migration und Literatur beleuchtet. Zé do Rock liest am 5. Mai (19 Uhr) im Ibero-Amerikanischen Institut (Potsdamer Str. 37, Tiergarten). Dass sein Reformdeutsch Schule macht, ist nicht zu befürchten. Immerhin: „Es gibt shon 4 leute di so shreiben.“

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