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Kultur: Spuren im Schnee

„Silentium“–Held Josef Hader über Krimis und Katholizismus – und neue Pläne als Regisseur

Warum wurde, nach „Komm, süßer Tod“, als zweiter WolfHaas-Roman „Silentium“ ausgewählt? Wegen des spektakulären Themas?

Da muss ich ganz ehrlich sagen: Ich würde am liebsten „Auferstehung der Toten“ verfilmen, weil ich Schneelandschaften großartig für Krimis finde. Wenn alles ganz weiß ist; Spuren und Blut im Schnee; Autos, die man nicht hört, wenn sie kommen. Aber das entscheidet der Regisseur, und der wollte „Silentium“.

Die Postkarten-Stadt Salzburg wird in dem Film als ein furchtbarer Ort dargestellt. Der Festspielbetrieb ist dekadent und pervers, in einem katholischen Knabenkonvikt gibt es Missbrauchsvorwürfe. Ist das noch Satire oder schon eine ganz fiktive Welt?

Wir dachten, eine Satire über die Kirche interessiert niemanden, wenn wir nicht auch ein Gruselmärchen erzählen und etwas Mythos hineinbringen. Als Kabarettist ist man normalerweise nur damit beschäftigt, Realitäten oder Milieus zu beobachten und daraus zu schöpfen. „Silentium“ war für mich der erste Film, in dem man ein bisschen weg von der Realität geht. Man schlussfolgert zwar auch aus der Realität und denkt sie weiter. Wir wollten aber auch nicht so einen Trash machen wie in „Komm, süßer Tod“, wo einfach alles erlaubt ist.

Und dann holt die Realität die Fiktion zumindest teilweise ein, wenn man an den Sex-Skandal im Priesterseminar St. Pölten und den mittlerweile zurückgetretenen Bischof Kurt Krenn denkt. Wie waren denn die Reaktionen in den katholischen Kreisen Österreichs auf den Film?

Da ist etwas ganz Interessantes passiert: Der Film kam ja ungeplant am Höhepunkt des Skandals in die österreichischen Kinos. Und alle außer den ganz, ganz Konservativen in der Kirche rannten in den Film und saßen gackernd da mit dem Gefühl, das ist jetzt ein Film über Bischof Krenn und die ganz, ganz Konservativen. Sie haben sich all die Blasphemien gefallen lassen, weil sie dachten, der Film geht über ihre Feinde in der Kirche. In liberalen Kirchenkreisen ist der Film sehr gut aufgenommen worden. Die Hochkultur reagierte übrigens nicht. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir für die überhaupt Kultur sind.

Sind gute Kabarettisten katholisch?

Das ist umstritten. Zumindest ist es hilfreich, wenn man katholisch ist und Ministrant war, weil man dann schon von Jugend an viel über theatrale Inszenierung und über Komik kennen lernt. Wenn in der Kirche wieder etwas nicht funktioniert und so.

Ist der Brenner der typisch amerikanische Einzelgänger-Detektiv, der nur nicht zum Klischee wird, weil er in Österreich statt in Los Angeles herumläuft?

Brenner ist sowieso ein bisschen ein Klischee, er hat durchaus vergleichbare Vorbilder in Amerika. Der Trick ist nur, dass man nicht alles sklavisch nachahmt. Für uns waren die amerikanischen Vorbilder aber gar nicht so stark. Es gibt in Europa auch eine lange Tradition von schlecht gelaunten Antihelden. Das geht von Lino Ventura bis zu Lukas Resetarits in „Kottan ermittelt“. Und außerdem: Für euch in Deutschland kann man genauso gut behaupten, die Geschichte spielt in Wien oder Salzburg wie in Los Angeles.

Sie haben nach ihrem gefeierten Kabarett-Abend „Privat“ zehn Jahre lang kein neues Programm mehr geschrieben, aber waren als Filmschauspieler sehr erfolgreich. Hätten Sie beinahe das Metier gewechselt?

Nein. Ich glaube, dass meine Qualitäten eher darin liegen, dass ich beides mache: Schreiben und Spielen. Ich mag die Urform Theater, in der einfach jemand da ist. Und außerdem kann man in Österreich als Filmschauspieler quasi gar nicht existieren. In Deutschland geht das auch nur, wenn man fast jeden Mist macht. In Österreich müsste man wirklich jeden Mist machen.

Ihr neues Kabarettprogramm „Hader muss weg“, das Sie seit Dezember in Wien spielen, wird überall als sehr filmisch beschrieben. Können Sie sich vorstellen, irgendwann einen Film daraus zu machen, wie das zum Beispiel Andreas Dorfer in „Ravioli“ vorgeführt hat?

Ein Film in eigener Regie ist zwar das nächste Projekt, das ich unbedingt schreiben sollte, aber ich verfilme grundsätzlich keine Programme. Es gibt ein paar Ideen in dem Programm, die ich vielleicht wieder aufgreifen kann. In „Hader muss weg“ geht der Kabarettist auf die Straße hinaus, erlebt dort Dinge und trifft Menschen, die es ihm unmöglich machen, zurückzukommen. Es ist in den letzten zehn Jahren seit „Privat“ härter geworden auf den Straßen wegen der ganzen Verteilungskämpfe. Ich wollte etwas mit mehreren Figuren machen und etwas über Gesellschaft aussagen. Wenn ich das Ganze wie ein Theaterstück oder ein Kabarett aufgelöst hätte, würden die Figuren an einem Würstlstand stehen und reden. Da bekomm’ ich eingeschlafene Füße, wenn ich an so was denke. Ich brauchte eine andere Dramaturgie. Mir fiel schnell die typische Dramaturgie von Low-Budget-Filmen ein. Eine Figur kommt, sie trifft eine zweite. Eine Figur geht weg, die Kamera fährt mit. Schnitt.

Hätten Sie als Regisseur in spe etwas anders gemacht in „Silentium“?

Der Film hätte wahrscheinlich ein paar Handlungsstränge und Ideen weniger und wäre nicht so opulent, dafür aber ein bisschen angespitzter. Manchmal bleibt mir die Kamera zu lange drauf, zum Beispiel, als der dekadente Opernsänger ein Mädchen vergewaltigt. Es ist schon herrlich grauslig und arg genug, wie er davor seine Sushi ist und sich über die Wangen leckt. Die Vergewaltigung ist dann nur noch Absicht, da habe ich das Gefühl: Da aber jetzt ned so lang!

Das Gespräch führte Karl Hafner.

Josef Hader (43), in „Silentium“ erneut der schlecht gelaunte

Detektiv Brenner, begann seine Karriere mit Kabarett. Große Kinoerfolge: „Indien“ (1994) und „Komm, süßer Tod“ (2000).

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