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Kultur: Spurenleser

Das DHM würdigt den Fotografen Robert Häusser

Die Erde ist eine Insel. Der Mensch hat sie bewohnt, dann ist er weitergezogen, und was er zurückgelassen hat, erscheint auf den Fotografien des Bildkünstlers Robert Häusser wie ein Abschiedsbrief. An Land geworfene, zerborstene Schiffe, Straßen, die im Nirgendwo enden, Hemden auf einer Wäscheleine und verwitterte Hausfassaden. Das Werk des 82-jährigen Fotomagiers, das in einer exquisiten kleinen Schau im Deutschen Historischen Museum gezeigt wird (bis 26. November, tgl. 10 bis 18 Uhr, Katalog: 22 €), hat etwas Erratisches. Die Landschaft, der Häusser beeindruckend hypnotische Ansichten abgewinnt, ist ein dunkles Terrain, der Boden wie aus Kohle, der Himmel wie gekalkt. In diese schwarzweiße Gegensätzlichkeit hat das Leben seine Spuren graviert – und der Fotograf inszeniert sie mit barocker Melancholie. Es sei die Ausgrenzung der Familie während des Nationalsozialismus gewesen, sagte Häusser einmal, die ihn sich den Dingen zuwenden ließ. Menschen fühlte er sich entrückt, nachdem sie seinen Vater ins KZ gesteckt hatten. Er selbst wurde 1952 genötigt, aus der Sowjetzone nach Mannheim zu fliehen. Immer wieder thematisiert der Entwurzelte das Unbehauste, greift Todessymbole auf, fotografiert Grabstätten, die Bunkeranlagen des „Westwalls“, hält den Sonnenverlauf in einem Sterbezimmer fest, findet einen „nackten“, auf dem Rücken liegenden Schildkrötenkadaver und ein von Fluten umspültes Kreuz. Hier zeichnet die Dingwelt ihre Chiffren als existenzielles Rätsel ins fotografische Negativ, das Häusser in der Dunkelkammer zu kunstvoll verschatteten, pointiert belichteten Vanitas-Studien aufpoliert. Viele Gegenstände erscheinen wie ausgestanzt aus der Schwärze des Hintergrunds, so exakt sind sie bearbeitet. Ob Statuen, Häuser, Werbetafeln, Wracks oder Kettenkarussels – sie fügen sich in eine „unwirkliche Landschaft“, wie Häusser ein Bild nennt, die stets einen erstaunlich aufgeräumten Eindruck macht. Das ist vielleicht das Verstörendste an diesem romantisch-verfinsterten Weltblick.

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