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Hohe Intensität. Daniel Barenboim eröffnet die Staatsopern-Festtage.

© dpa/B. Petit

Staatsopern-Festtage: Wo bleibt nur der Schmelz?

Eröffnung der Staatsopern-Festtage: Daniel Barenboim dirigiert die Wiener Philharmoniker.

Tosenden Beifall und Blumen erhält Daniel Barenboim nach dem letzten Ton der ersten Sinfonie von Gustav Mahler, verteilt die weißen Rosen an die – immer noch bestürzend wenigen – Frauen im Orchester. Der Applaus gilt auch den Musikern, den Wiener Philharmonikern mit dem Nimbus ihrer 177-jährigen Tradition, ihrer sprichwörtlichen Homogenität vor allem der Streicher, den immer wieder auch solistisch geforderten Holz- und Blechbläsern.

Doch kann man an diesem Eröffnungsabend der Staatsopern-Festtage das Orchester wirklich so preisen, trägt man damit nicht „Geigen nach Wien“, um mit Richard Strauss zu sprechen? Das Prokofjew-Mahler-Programm spielte es bereits mit Barenboim in Wien. Nun kommt es gerade von einer langen Konzertserie mit Andris Nelsons, nicht ohne leichte Spuren von Überanstrengung. Natürlich stehen die Wiener in einer ganz speziellen Mahler-Tradition, gerade die Aufführungen der ersten Sinfonie sind Legion. Doch diesmal erklingt sie ohne die berühmte Schmiegsamkeit des Klangs, die Flexibilität der Übergänge, den berückenden Charme der melodischen Passagen. Barenboim presst vielmehr äußerste Intensität aus dem Klangkörper heraus, geht in die Extreme, was dem Forte Schärfen gibt, das Piano oft blass erscheinen lässt.

Das mag noch angebracht sein, wenn sich aus dem Naturbild des Beginns, dem ersten flimmernden Streicher-Unisono die kecken Vogelrufe der Klarinetten, die Jagdsignale von Holzbläsern und Ferntrompeten herausschälen. Doch wenn sich bei der Reprise Celloseufzer hineinmischen, im Trio des deftigen Scherzos oder in langen lyrischen Episoden des Finales die Wunderhorn-Motive aus den „Liedern eines fahrenden Gesellen“ von verlorener Liebe träumen, dann fehlt ein gewisser Schmelz, ein Herzenston. Hier regiert – trotz einiger Unstimmigkeiten der Einsätze vor allem im Kopfsatz – eine eher neutrale Brillanz. Im Finale bringt das Orchester dann ebensolche glänzenden Siegestöne hervor.

Prokofjews "Klassische Sinfonie" erscheint harmlos gegenüber Mahler

Erstaunlich, wie harmlos in dieser Mahler-Nähe Sergej Prokofjews zuvor gespielte „Klassische Sinfonie“ erscheint. Dass beide sinfonischen Erstlinge in D-Dur stehen, ist aber auch alles, was sie verbindet. Das schlendert pastos und „bedächtig“ übers Feld, statt temporeichen Esprit zu entwickeln. Der Streicherzauber des Larghettos allerdings entfaltet sich auch hier.

Mehr zur Staatsoper im Tagesspiegel finden Sie hier: https://www.tagesspiegel.de/themen/staatsoper-berlin/

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