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Kultur: Staatsopern-Intendant: Basel blockt, Berlin lockt

Die Stasi-Akte über den Basler Theaterdirektor Michael Schindhelm ist dieser Tage eine begehrte Lektüre. Einer der letzten, besonders aufmerksamen Leser war Berlins Kultursenator Christoph Stölzl.

Die Stasi-Akte über den Basler Theaterdirektor Michael Schindhelm ist dieser Tage eine begehrte Lektüre. Einer der letzten, besonders aufmerksamen Leser war Berlins Kultursenator Christoph Stölzl. Offenbar gilt Schindhelm, 1960 in Eisenach geboren, als Kandidat für die Nachfolge von Georg Quander als Intendant der Staatsoper Unter den Linden. Quanders Vertrag endet im Sommer 2002.

Der Fall klingt auf Anhieb brisant. Denn vor zwei Wochen erst hatte Schindhelm mit einer essayistischen Selbstanzeige in der "Zeit" enthüllt, dass bei der Berliner Gauck-Behörde eine - von ihm selbst seit Jahren gesuchte - Akte über Stasi-Kontakte aufgetaucht sei (vgl. Tsp. vom 12. 1.). Schindhelm, der als früherer Quantenchemiker in den 90er Jahren eine überraschende, hoch erfolgreiche Karriere als Theaterintendant in Gera, Nordhausen und ab 1996 als Chef von Oper, Schauspiel und Ballett in Basel gemacht hat, war 1984 als 23-jähriger DDR-Bürger und Auslandsstudent im sowjetischen Woronesch von KGB und Stasi mit Spionageverdächtigungen zur "informellen Mitarbeit" gepresst worden. Dabei kann sich Schindhelm auf eine Notwehrsituation berufen. Er habe mit seinen Berichten niemandem geschadet und die betroffenen Freunde und Bekannten sofort über seine Aussagen informiert. Ein Jahr nach seiner Rückkehr in die DDR war Schindhelm von Berlin nach Thüringen verzogen, hatte seine Stellung in einem Forschungsinstitut freiwillig aufgegeben und sich mit einer Art "innerer Emigration" zugleich der Staatssicherheit entzogen. Seine Akte, das ist jetzt auch der Berliner Kulturverwaltung bekannt, stützt ebenso wie Zeugenaussagen Schindhelms Darstellung, dass er mehr Opfer als Täter der Stasi war.

Das macht ihn für Berlin präsentabel. Schindhelm hat im Gespräch mit dem Tagesspiegel zwar direkte Verhandlungen dementiert, aber der Stölzl-Kontakt, angesponnen bereits im letzten Sommer, ist klar. Schindhelm: "Ich habe in Basel keinen Vertrag auf Lebenszeit." Und in der Schweiz begegnen Teile des Publikums und der Medien Schindhelm mit zunehmenden Aversionen. Ob der intelligente, ehrgeizige Generalist, der in Berlin schon mal als Intendant des Deutschen Theaters gehandelt wurde, mit einem reinen Opernjob richtig besetzt wäre, müsste freilich geklärt werden. In der Berliner Kulturverwaltung, die "zu Personalspekulationen nicht Stellung" nimmt, gilt auch Elmar Weingarten, früher Intendant der Philharmoniker, als Kandidat.

P.v.B.

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