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Kultur: Stadt im Kleinformat

Der deutsche Beitrag zur Architekturbiennale Venedig in Berlin

Die 8. Architekturbiennale von Venedig ging Anfang November zu Ende. 101693 zahlende Besucher werden stolz vermeldet. Die Faktentreue spiegelt den Geist dieser Biennale: Sie war sehr aufs Tatsächliche, Machbare und Nächstliegende gerichtet.

„Next“ lautete ihr von Kurator Deyan Sudjic geprägtes Motto, das auch den nationalen Beteiligungen galt. Die Kommissarin des deutschen Pavillons, die Berliner Architektin Hilde Léon, nahm es auf ihre Weise: Sie schickte die kommende Generation unter dem Titel „Nextliegend“ auf den Laufsteg. Gemeinsam mit elf Professorenkollegen weiterer Architekturfakultäten – sie selbst lehrt in Hannover – stellte Hilde Léon den Studenten die Aufgabe, mit dem Raumvolumen des Mittelsaales des neoklassizistischen Pavillons im Maßstab 1:33 Fragestellungen zu bearbeiten, die aus architektonischer Sicht die „nächstliegenden“ sind. So kamen insgesamt 90 Modelle zustande, alle gleich groß und innerhalb dieser Vorgabe überaus variationsreich. Eine Auswahl von 24 Entwürfen ist jetzt in Berlin zu sehen, im Büromöbelgeschäft „by USM“ in Mitte, wo die akkurat auf hohen Sockeln aufgereihten Modelle zumindest eine Ahnung von ihrer beeindruckenden Wirkung in Venedig geben.

Um das „Durchwandern einer Stadt“ sei es gegangen, erläutert Hilde Léon ihr Konzept, mit festem Grundraster und individueller Ausprägung. Sie habe das Ausmaß des Pavillon-Saales – 16 mal 13 Meter mit 11 Metern Höhe – vorgegeben, gerade so, wie es in einer Stadt Regeln gebe, „ein Passepartout, in dem individuelle Entwürfe erst zur Wirkung kommen“. Im Übrigen vollziehe sich die Arbeit des Architekten stets „innerhalb von Grundbedingungen, ob Grundstück, Bauvolumen oder Finanzen.“ Zusätzlich hat jeder der zwölf Hochschullehrer ein eigenes Thema angeschlagen, ein eher enges wie „Das Fenster zum Hof“ (Klaus Theo Brenner, Potsdam) oder ein weites wie „Ganzheit und Fragment“ (Alfred Grazioli, Berlin).

Es macht den Reiz der Ausstellung aus, die nahezu uferlose Vielfalt im festen Rahmen der auf 1:33 reduzierten Grundmaße zu entdecken. Alle Ergebnisse sind gleichberechtigt – doch ein primus inter pares wurde dann doch gekürt, Matthias Silberkuhl (Hannover), der unter dem freilich etwas bemühten Motto „Raum + Mensch + Licht = Ort“ – jede Arbeit musste mit einem Motto versehen werden – einfach die vorgegebenen Maße als drei Flächen, als Boden sowie Längs- und Querwand interpretierte und so einen nach zwei Seiten offenen Raum schuf, in dem die 1:33-Figur eines stehenden Menschen den Maßstab spiegelt. Genau so entsteht architektonischer Raum: durch den Bezug auf das menschliche Maß.

Der Ideenreichtum der ursprünglich so viel zahlreicheren Modelle blitzt auch in der Auswahl auf, eher sogar pointiert, weil die in Venedig vertretenen Reihungen verwandter Arbeiten, wie sie etwa Ulrich Koenigs in Wuppertal ausdrücklich verordnete, hier fehlen. Es gibt verwunschene Wundergärten und nach innen gekehrte Markusplatz-Fassaden, kubisch verschachtelte Räume und transparente Glaswellen, und es gibt – in einer überraschenderweise von mehreren Studenten versuchten Umkehrung von Innen und Außen – einen baumbestandenen Hof, den vier berlin-typische Lochfensterfassaden umstehen (Marcus Arndt, Potsdam). Und es gibt einen Raum, der nur durch eine geöffnete Flügeltür angedeutet wird – und eine Travertinplatte als Boden, genau so, wie es der originale Pavillon in den Giardini vormacht (Thomas Loytved, Kaiserslautern).

Um die kommende Architektengeneration ist Hilde Léon ausweislich ihrer venezianischen Übung nicht bange. Eine andere, an dieser Stelle seinerzeit (Tsp. vom 12.9.) verneinte Frage ist es, ob die Ausstellung bei speziell dieser Architekturbiennale am richtigen Platz war, wo es um handfeste Konkurrenz und weniger um visionäre Kreativität ging. Doch das ist Schnee von gestern. Als Demonstration der Möglichkeiten, ja Freiheiten architektonischen Denkens und Entwerfens lohnt die Berliner Nachlese allemal einen Besuch.

by USM, Französische Straße 48, bis 6. Dezember, Mo–Fr 10-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr. Katalog 12 Euro, im Buchhandel 19 Euro .

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