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Stadtplanung: Hier werden sie verbunden

Berlinbesucher und Touristenbusse sind nicht immer nach dem Geschmack der Hauptstädter: Wie wär’s, zur Linderung der Pein, mit einer unterirdischen Passage zwischen Museumsinsel und Humboldt-Forum?

Der von David Chipperfield geplante Eingangsbau für die Museumsinsel ist umstritten. Dass er notwendig ist, um den wachsenden Besucherandrang zu bewältigen, wird dagegen kaum angezweifelt. Bei der Planung war man aber nicht vom Humboldt-Forum ausgegangen, das hinter den wiederaufgebauten Fassaden des Berliner Stadtschlosses entstehen wird. Die zusätzlichen Besucherströme rund um das Humboldt-Forum, dem neuen internationalen Zentrum mit den Dahlemer ethnologischen Sammlungen, Mediathek und diversen Veranstaltungsräumen, sollten bei der Eingangssituation für die Museumsinsel mit berücksichtigt werden.

Für die Museumsinsel wird eine Verdoppelung der Besucherzahlen von derzeit jährlich etwa zwei Millionen auf vier Millionen prognostiziert, zunehmend Gruppen aus Asien, von denen viele den Komplex in kürzester Zeit im Rahmen eines minutiös geplanten Berlinprogramms besuchen werden. Vom Eingangsgebäude aus können sie auf einer „archäologischen Promenade“ in 45 bis 60 Minuten an den Hauptsehenswürdigkeiten der Museen vorbeigeführt werden.

Viele halten die Idee für fragwürdig, um der schieren Notwendigkeiten willen das Welterbe-Ensemble um einen Neubau zu ergänzen – bei anderen Welterbestätten muss die Besucherzahl begrenzt werden. Es gibt aber auch keine solide Verkehrsplanung für die An- und Abfahrt dieser erhofften Touristenmengen. Wegen des Einbahnstraßensystems müssten sämtliche Busse vom Lustgarten her über die Bodestraße heranfahren, dort etwa fünf Minuten stehen bleiben, um dann über den Kupfergraben nach Norden abzufahren und eine Dreiviertelstunde später erneut anzufahren.

Die bisherigen Pläne lassen nicht erkennen, wo Platz für all diese Busse sein soll: Die Bodestraße ist zu schmal, am Kupfergraben ist der Platz wegen der Straßenbahnschienen ebenfalls auf eine Spur begrenzt. Abgesehen vom Parkplatzproblem wird der Busverkehr durch das zweimalige Anfahren verdoppelt und belastet den Innenstadtverkehr zusätzlich. Es fragt sich, ob eine solche Lösung überhaupt praktikabel ist.

Die Busse, die zum Humboldt-Forum wollen, sollen in einer Reihe vor der Westfassade und in zwei Reihen vor der Südfassade parken, wie am vergangenen Montag im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses bekannt wurde. Man will also die mit Spendengeldern wiedererrichteten Barockfassaden und das geplante Einheitsdenkmal mit Bussen zustellen und die Schlossfreiheit – einen der künftig schönsten Plätze Berlins – zu einem Parkplatz degradieren. Wobei man sich auch hier über An- und Abfahrmöglichkeiten wenig Gedanken gemacht hat.

Das Humboldt-Forum wird ebenfalls mehrere hunderttausend Besucher pro Jahr anziehen, vielleicht eine Million. Die Folge: Der Besucherstrom zwischen Schloss und Museumsinsel wird erheblich anwachsen, die europäischen und die außereuropäischen Kulturen sollen miteinander korrespondieren. Wenn der Verkehr auf der Karl-Liebknecht-Straße und Unter den Linden davon nicht über die Maßen beeinträchtigt werden und die historische Mitte kein Buszirkus werden soll, bleibt nur die Möglichkeit einer unterirdische Passage zwischen den Komplexen, die ein ebenso gewaltiges wie einmaliges Ensemble bilden.

Hierin könnte die Lösung für die gesamte Verkehrsplanung auf der Museumsinsel liegen: Unter dem Humboldt-Forum, möglicherweise durch Nutzung der Wanne des Palastes der Republik, wäre eine Tiefgarage für die Busse denkbar, von der aus die Besucher ins Humboldt-Forum aufsteigen oder durch die Passage zur Museumsinsel hinüberlaufen könnten. Rechts und links des Ganges hätten Dienstleistungsbetriebe Platz von Museumsshops über Gastronomie bis zu Veranstaltungs- und Präsentationsräumen.

Dies würde nicht nur die Raumplanung für das Humboldt-Forum entlasten, auch der Bedarf für den Eingangsbau von Chipperfield würde entfallen, der ja trotz seines großen Sockels für die Räume, die er enthalten soll, zu klein ist. Dem Vernehmen nach (die Stiftung hat die Innenraumplanung bisher nicht veröffentlicht) sollen für den Museumsshop nur 80 Quadratmeter vorgesehen sein. Der Ort würde frei für die Gestaltung nach den Originalplänen von Adolf Messel, auch wäre genug Raum für ein Terrassencafé in idealer Südwestlage. Dorthin könnten auch die sommerlichen Freiluftveranstaltungen verlegt werden, die spätestens nach der Wiedereröffnung des Neuen Museums kaum noch Platz auf der Rasenfläche vor der Alten Nationalgalerie finden dürften. Die fatale Idee, das Zeughausufer wieder dem Autoverkehr zu opfern, wäre vom Tisch – und die Museumsinsel weitgehend autofrei.

Neben der Lösung der Verkehrs- und Besucherlenkung hätte eine Passage zwischen Humboldt-Forum und Museumsinsel also den Charme, Berlin ein Gebäude zu ersparen, das von Bauhistorikern als eine Beeinträchtigung des Unesco-Welterbes angesehen wird. Die unterirdische Passage würde den Besuchern außerdem einen direkten Zugang zur archäologischen Promenade ermöglichen, und zwar an deren Beginn. Beim Eingang von der Bodestraße aus müsste erst das gesamte Eingangsgebäude durchquert werden, um dann auf die Mitte der Promenade zu treffen.

Da die Passage parallel zu den beiden Spreearmen verliefe, brauchte man sie nicht unterhalb der Spree anzulegen und könnte in geringer Tiefe bauen. Die geplante, unterhalb der Spree verlaufende Kanzler-U-Bahn verliefe eine Ebene tiefer und ließe sich umstandslos mit der Passage verbinden: ein zusätzlicher positiver Effekt. Für direkte Eingänge ist auf den breiten Bürgersteigen entlang der Karl-Liebknecht-Straße genügend Platz. Die Finanzierung der wegen des sumpfigen Untergrunds voraussichtlich kostspieligen Passage dürfte nicht allzu schwierig sein, denn ein Großteil der 73 Millionen Euro für den Chipperfield-Bau würde ja eingespart.

Eine Tiefgarage unter dem Humboldt-Forum würde nicht nur die Museumsinsel vom Busverkehr, sondern auch die Innenstadt entlasten. Die Zufahrt unter das Schloss sollte von der Breiten Straße aus angelegt werden; nur von dort ist die Anfahrt einer ständigen großen Anzahl von Bussen möglich, ohne den übrigen Verkehr zu behindern. Die Breite Straße, vielleicht auch Gertraudenstraße und Mühlendamm sollten Busspuren erhalten.

Bisher hat sich weder im Land Berlin noch im Bund ein Politiker zu den Fragen der Besucher- und Verkehrslenkung rund um Humboldt-Forum und Museumsinsel öffentlich geäußert. Als die Abgeordneten jetzt die Pläne für die Busplätze am Schloss sahen, kam zum ersten Mal Unruhe auf.

Stephan Dömpke lebt als Ethnologe in Berlin. Er ist freier Berater für internationalen Natur- und Kulturschutz, unter anderem für das Unesco-Welterbezentrum.

Das Luftbild, noch mit dem Palast der Republik, als Grundlage für eine Zukunftsvision: 1. Museumsinsel 2. Standort für das Humboldt-Forum in der Kubatur des Stadtschlosses 3. gestrichelte Linie: die vorgeschlagene Fußgängerpassage zwischen Schlossplatz und Museumsinsel 4. möglicher Standort für eine Tiefgarage, unter dem künftigen Humboldt-Forum 5. Standort der geplanten Eingangshalle von David Chipperfield 6. Karl-Liebknecht-Straße 7. Bodestraße 8. Am Kupfergraben 9. Breite Straße

Stephan Dömpke

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