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Stadtschloss: Berlins Kulturszene debattiert den Beschluss des Kartellamts

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz spricht von "Verwirrung", das Bauministerium wird kritisiert und Hoffnung auf die Revision macht sich breit: Beteiligte und Unbeteiligte debattieren das Schloss-Debakel.

Der Beschluss des Bundeskartellamts, das den Vertrag zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses für nichtig erklärte, sorgt für Aufregung. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, spricht von einer bedauerlichen „Verwirrung“, die nun entstanden sei. Sollte die Entscheidung zu einer Verzögerung des Projekts führen, wäre dies „für alle Beteiligten sehr enttäuschend“. Die Stiftung ist mit der Humboldt-Universität und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin Träger und Akteur des Humboldt-Forums im Schloss, einer ambitionierten Mischung aus Museum, Agora und Bildungsstätte.

Der Wettbewerb selbst, den der italienische Architekt Franco Stella im November 2008 gewonnen hatte, war von der Behörde nicht beanstandet worden. Moniert wurde das anschließende Planungsverfahren, vor allem die Tatsache, dass Stella mit dem Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner sowie den Architekten Hilmer und Sattler zwei Mitteilnehmer des Wettbewerbs zu ausführenden Kompagnons gemacht hatte (Tsp. vom 12.9.). Gemeinsam gründeten sie die Firma „Franco Stella Berliner Schloss Humboldt Forum Projektgemeinschaft“, mit ihr schloss das Bundesbauministerium den Vertrag für die Ausführung von Stellas Entwurf. Der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin äußerte nun die Befürchtung, dass der Bauherr der Öffentlichkeit offenbar „rasch einen Sieger präsentieren“ wollte und daher seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei. Die Zweifel der anderen 157 Wettbewerbsteilnehmer am Vorgehen des Auslobers seien berechtigt. Zu befürchten seien eine deutliche Verzögerung des für Herbst 2010 geplanten Baubeginns und erhebliche Zusatzkosten.

Auch HG Merz, einer der acht Fachpreis-Juroren, die Stella einstimmig zum Sieger gekürt hatten, rechnet mit Verzögerung. Allerdings geht er fest davon aus, dass Stellas Entwurf realisiert wird, „sonst blamiert sich das Bauministerium“. Mit dem formalen Verfahren der Auftragsvergabe habe die Jury nichts zu tun gehabt. „Keiner von uns ist Jurist.“ Zu den Teilnahmevoraussetzungen hatten ein jährlicher Mindestumsatz von 300000 Euro oder die Festanstellung von mindestens drei Büromitarbeitern gehört. Das von Wolfgang Tiefensee (SPD) geleitete Ministerium hatte sich dabei auf die schriftliche Erklärung Stellas verlassen. „Auf Schwäbisch gesagt, hat das schon ein bissel ein Gschmäckle“, sagte der Stuttgarter Architekt Merz dem Tagesspiegel.

Seine Jury-Kollegin, die Berliner Architektin Gesine Weinmiller, legt Wert darauf, die Debatte über den Entwurf und die Kritik am Verfahren auseinanderzuhalten. „Dass das Bundeskartellamt das Verfahren vorerst gestoppt hat, ist richtig so. Ich gehe davon aus, dass Stella jetzt aufgefordert wird nachzuweisen, dass er die Teilnahmebedingungen erfüllt. Wenn er dies tut, wird das Verfahren wie geplant weiter durchgeführt. Wenn nicht, dann handelt es sich um Betrug.“

Dass es um formale und nicht um ästhetische Fragen geht, darauf weist auch die Jurorin Petra Kahlfeldt hin, die sich mit Nachdruck für Stellas Entwurf eingesetzt hatte. Kritisiert werde vor allem, dass der Wettbewerbssieger nicht identisch mit der Projektgesellschaft ist, die den Vertrag für die Ausführung erhielt. Falls hier Fehler gemacht wurden, hält Kahlfeldt diese für korrigierbar. Da Stella sich das unternehmerische Risiko nun doch nicht mit anderen Büros teilen dürfe, werde nun wohl ein neuer Vertrag mit ihm alleine abgeschlossen. Im Rahmen dieses Vertrages könne er sich dann Partner suchen. „Es istein ganz normales Geschäft, dass man sich neben der Kompetenz von Lichtplanern oder Fassadentechnikern auch architektonische Kompetenz mit ins Boot holt“, erläuterte die Berliner Architektin. „Bauen ist etwas Interdisziplinäres.“ Dass Stella kooperiert, sei ein gängiges Prozedere bei Großprojekten. „Unsere Firma Kahlfeldt Architekten ist zum Beispiel Subunternehmer von Gerkan, Marg und Partner für das Bauvorhaben Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße. In Hamburg sind wir an einem Projekt mit fünf Büros beteiligt, in Köln an einem mit sieben Büros. Es ist nicht anrüchig, wenn Architekten zusammenarbeiten.“

Als einer von sieben politischen Sachpreisrichtern und Mitglied im Stiftungsrat des Humboldt-Forums glaubt der Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer (CDU) nicht an eine Verzögerung des Baubeginns. „Die Planungen wurden zügig abgearbeitet, die Verfahrensfehler sind korrigierbar.“ Es gehe nur darum, dass Hans Kollhoff, der als Wettbewerbsteilnehmer gegen die Auftragsvergabe Beschwerde einlegte, nicht schriftlich mitgeteilt worden sei, dass ein Vertrag mit Stella unterschrieben wurde. Sollte das Oberlandesgericht bei der Revision genauso wie das Kartellamt entscheiden, würde zwar das Verfahren von vorne beginnen, aber eben nur unter Vermeidung dieses formellen Fehlers. „Dann bekommt Herr Kollhoff einen Brief, das Verfahren beginnt erneut mit einem neuen Vertrag und neuen Subverträgen. Dass Ergebnis bliebe aber gleich: Stella wird gebaut.“

Der langjährige Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimmann hält das Urteil des Kartellamts für fatal. „Ich finde dieses ganze Verfahren vollkommen unangemessen und wünschte mir, dass wir uns stattdessen über den Inhalt, die Form und die Funktion des Humboldt-Forums unterhalten.“

Über Inhalte reden: Architektonisch gesehen sind Inhalte Raumplanungen. Seit Anfang des Jahres hatte eine Arbeitsgruppe zur Innenausgestaltung unter Federführung des Bauherrn mit den Architekten und den drei Nutzern alle zwei bis drei Wochen getagt. Hermann Parzinger von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz lobt die „konstruktive und effektive Zusammenarbeit“. Stella habe den Entwurf auf ihre Anregungen hin beträchtlich weiterentwickelt. „Wir und die anderen Nutzer sind hochzufrieden mit dem Ergebnis, das nun schnellstmöglich umgesetzt werden sollte.“ Wie berichtet, setzt auch das Bundesbauministerium auf eine Revision des Kartellamts-Urteils durch das Oberlandesgericht Düsseldorf. Christiane Peitz/Christian Schröder

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Platz des Anstoßes. Modell der Humboldt-Box, in der man sich ab Oktober 2010 über den Bau des Berliner Stadtschlosses informieren können soll. -

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