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© Abb: ingenhoven architects, Düsseldorf / Illustration: Peter Wels, Hamburg / Foto: Erhard Pansegrau, Berlin.

Stadtschloss: Zurück auf Los

In Fachkreisen wird dem Projekt Stadtschloss keine Realisierungschance mehr eingeräumt. Landesweit gibt es kein Bauvorhaben seit dem Krieg, das unter einem derart ungünstigen Stern gestanden hätte. Es droht ein Debakel.

Es war wohl keine gute Idee von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee, den Wiederaufbau des Berliner Schlosses zu seiner ureigenen Sache zu machen. Längst ist das Schlossprojekt zur nicht enden wollenden Skandalgeschichte mit Pannen, Vertuschungen und Misswirtschaft geworden. Mit dem glücklosen SPD-Politiker Tiefensee, der nach der Bundestagswahl sein Ministeramt abgeben muss, verliert das Schloss/Humboldtforum nun einen seiner vehementesten Protagonisten.

Doch in Fachkreisen wird dem Projekt ohnehin keine Realisierungschance mehr eingeräumt. Zu hoch türmen sich die Probleme, häufen sich die Skandale. Landesweit ist kein Bauvorhaben seit dem Krieg erinnerlich, das unter einem derart ungünstigen Stern gestanden hätte.

Der Architekturwettbewerb rächt sich

Der faule Kompromiss des Wettbewerbsergebnisses rächt sich mittlerweile bitter. Manche werfen dem im Wettbewerb mit einem dritten Preis unterlegenen Architekten Hans Kollhoff Neid und Missgunst vor, weil er das Kartellamt anrief und so die ungültigen Verträge mit dem Sieger-Architekten Franco Stella zum Platzen brachte. Doch was nicht nur Kollhoff erzürnt, ist die Mogelpackung, die geschnürt worden war.

Der Baukunstprofessor und Gelegenheitsarchitekt Stella mit seinem Westentaschenbüro in Vicenza hat bei Licht besehen keinen respektablen Bau vollkommen eigener Provenienz vorzuweisen. Der Auftrag, der durch seine Größe und vor allem Komplexität auch arrivierte Büros gehörig fordern würde, liegt weit jenseits seines Horizonts. So hat man ihm gleich zwei professionelle Architekturfirmen zur Seite gestellt. Gegen die Tatsache, dass das Büro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) der Bitte um Dienstleistung entsprach und in das Konsortium eintrat, ist nichts einzuwenden. Es ist absolut üblich, dass sich ausländische Architekten für die Realisierung ihres Entwurfs eines hiesigen Kontaktarchitekten bedienen. Der kennt sich mit den Vorschriften, Verwaltungen und örtlichen Verhältnissen aus, macht die Bauleitung und sorgt für die qualitätvolle Realisierung der Pläne. Das war guter Brauch bei Hunderten von Bauten der IBA 87, aber auch bei vielen Nachwendebauten, etwa bei den Nordischen Botschaften. Vorwürfe an die Adresse von gmp sind deshalb nicht angebracht.

Wo Stella draufsteht, ist nicht Stella drin

Der kritische Punkt ist ein anderer. Aus dem Wettbewerb ist Franco Stella als siegreicher Entwerfer hervorgegangen, und er sollte beauftragt werden, seine Konzeption und seine Architektursprache zu verwirklichen. Doch nun stellt sich heraus: Wo Stella draufsteht, ist nicht Stella drin, sondern Hilmer & Sattler und Albrecht, ein Büro, das sich bereits 1996 vergeblich am Investorenbieterverfahren beteiligt hatte und beim Realisierungswettbewerb in der zweiten Runde ausschied. Nun hat es auf diesem Weg geklappt, und das Büro ist gewiss nicht zur Bauleitung ins Konsortium eingetreten, sondern soll zwei Drittel der Entwurfsleistung erbringen – der bislang siegreiche Wettbewerbsentwurf repräsentiert ja nur einen Bruchteil der notwendigen Entwurfsarbeit. Das aber ist ein eklatanter Verstoß gegen die Wettbewerbsrichtlinien und wurde vom Kartellamt zu Recht gerügt. Baurechtsexperten erwarten nicht, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf dieses Verdikt kassieren wird. Die teure Revision hätte sich Tiefensee sparen können.

Ob die Urheberfrage in absehbarer Zeit geklärt werden kann? Fachanwälte in Architekten- und Wettbewerbsrecht sehen Franco Stella definitiv aus dem Rennen. Das würde bedeuten: alles zurück auf Los. Der Architektenwettbewerb müsste neu ausgeschrieben werden, denn eine Beauftragung eines der Nächstplatzierten Hans Kollhoff, Jan Kleihues, Christoph Mäckler oder Eccheli & Campagnola ist nicht denkbar. Dass die vorgesehene Architektur für die vorgesehene Nutzung eher als „suboptimal“ zu gelten hat, dass der Entwurf noch kräftig umgekrempelt werden muss und auf dem Niveau internationalen Museumsbaus dann trotzdem nicht wird mithalten können, steht auf einem anderen Blatt.

Ende Oktober soll ein Vorplanungsstadium vorgestellt werden

Doch vielleicht sind diese für die nächsten Jahre anstehenden Diskussionen ohnehin bald obsolet. Ende Oktober soll ein Vorplanungsstadium vorgestellt werden, dabei auch die Kostenberechnungen durch das Büro gmp. Wenn die bisherige Praxis, Kosten zu vertuschen und kleinzureden, zugunsten einer realistischen Kalkulation aufgegeben wird, erwarten Fachleute eine unliebsame Überraschung. Dann wird auch offenbar, ob die barocke Sandsteinfassade für 80 Millionen Euro Mehrkosten zu haben ist (eine ungeprüfte Kostenschätzung des Fördervereins Berliner Schloss, mit der die Bundestagsabgeordneten ruhig gestellt wurden), oder ob die internen Schätzungen des Bauministeriums von 2007, die Mehrkosten von 109 Millionen ergaben, realistischer sind.

Der Förderverein mit dem Geschäftsführer Wilhelm von Boddien, der das Geld aufbringen will, hat die Erwartungen bisher nicht erfüllt. 11,3 Millionen Euro hat er gesammelt und einen Teil davon wieder ausgegeben, unter anderem für Planungsaufträge an den früheren stellvertretenden Fördervereinsvorsitzenden, den Architekten Rupert Stuhlemmer. Und da Spenden für den Staat nicht kostenfrei sind, sondern bereits Steuermindereinnahmen von 6,5 Millionen Euro mit sich brachten, hat der Steuerzahler die Spendenaktivitäten mitfinanziert, wie Friedrich Ochs in der „Deutschen Bauzeitung“ ausgerechnet hat.

Das Vertrauen ist verspielt

Um das Gesicht zu wahren, ist eine bundeseigene Stiftung gegründet worden, die nun das Geld besorgen soll. Natürlich kostet auch die zunächst viel Geld: 1,5 Millionen aus dem Bundeshaushalt allein für das Jahr 2009. Dass die Stiftung genügend private Fördermillionen einwerben wird, um die historische Fassade zu finanzieren, ist nach den bisherigen Erfahrungen eher unwahrscheinlich. Das Vertrauen ist verspielt. Das umstrittene Prestigeprojekt von Bundestag und Bauminister erfreut sich nicht der Gunst der Bundesbürger und ist mit dem Bürgerprojekt Dresdner Frauenkirche nicht zu vergleichen.

Derweil tauchen neue Kostenrisiken auf. Für die Planer offenbar völlig überraschend gruben Archäologen auf dem Areal die Fundamente des Schlosses und der Vorgängerbauten aus. Natürlich stehen die unter Denkmalschutz und es gibt berechtigte Forderungen, die einzigen authentischen Reste des Schlosses zu erhalten. Das aber hat bislang nicht kalkulierte, teuere statische Konstruktionen zur Folge: Der Neubau muss auf „Zehenspitzen“ gestellt werden.

Falsches Spiel betrieb Tiefensee mit den Terminen

Als Option geistert plötzlich auch die Kuppel durch die Diskussion, die 11 Millionen zusätzlich kosten soll – nach dem Motto: Wenn der Bundestag die Kuppel gerne haben möchte, soll er das Geld dafür locker machen. Wenn der Wiederaufbau jedoch überhaupt einen Sinn hat, nämlich die Wiedergewinnung des historischen Bildes als Zielpunkt der Linden, dann ist die Kuppel unverzichtbar und gehört ohne Wenn und Aber ins Budget.

Falsches Spiel betrieb Minister Tiefensee mit den Terminen. Die von ihm angekündigte Eröffnung 2014 halten selbst seine eigenen Gutachter nicht für machbar; sie stellten bei günstigstem Verlauf 2016 in Aussicht. Allein der Bau der historischen Hülle lässt sich nicht beschleunigen, denn es gibt zu wenig Steinmetze für diese Aufgabe (man würde deshalb wohl ohnehin warten müssen, bis das Potsdamer Schloss fertiggestellt ist). Das aber bedeutet weitere, kaum kalkulierbare Kostensteigerungen.

Wenn der Bundestag die bewusst gedeckelte Bausumme von 552 Millionen Euro nicht kräftig aufstockt, ist das Projekt Wiederaufbau Stadtschloss gescheitert. Der architektonische und stadtplanerische GAU wäre ein gewaltsam kostenreduziertes Gipskartonschloss mit Sandsteintapete zum bislang kalkulierten Discountpreis.

Unterdessen könnte man auf dem Gelände schon mal kleine Bäumchen pflanzen. Die haben in der Zwischenzeit gute Chancen, in aller Ruhe zu prächtigen Parkbäumen heranzuwachsen. Christoph Ingenhoven hat 2001 in der Galerie Aedes das charmante Alternativprojekt „Central Park Berlin“ vorgestellt. Es ist derzeit das einzig realistische für die Mitte Berlins.

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