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Kultur: Stahl auf Stein

Er brachte die Konzeptkunst nach Deutschland. Nun wird Konrad Fischers Sammlung in Kleve gezeigt

Drei Meter breit und knapp elf Meter lang ist der Raum in Düsseldorf, der Kunstmarktgeschichte geschrieben hat. Die Galerie Fischer in der Neubrückstraße 12, auf halbem Weg zwischen Kunsthalle und Kunstakademie und somit im geografischen Mittelpunkt des Geschehens, das die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt für zwei Jahrzehnte zu einem Zentrum der Kunst gemacht hat, ja mehr noch zu einem Vorposten der amerikanischen Avantgarde in Europa. Jedenfalls, wenn man die Historie aus dem Blickwinkel der Galerie Fischer betrachtet.

Konrad Fischer, der 1996 mit 57 Jahren allzu früh verstorbene Galerist, und seine Frau Dorothee, die die Galerie seither unter dem Namen ihres Mannes in Düsseldorf und Berlin fortführt, hatten sich der Minimal Art und der Konzeptkunst verschrieben, jenen in den sechziger Jahren aufgekommenen Strömungen reduzierter Konzepte, die nicht auf das visuelle Aha-Erlebnis setzen, sondern vom Betrachter den gedanklichen Mitvollzug fordern. Mit dem Ergebnis jenes puritanischen Vergnügens, das sich in der Betrachtung asketisch zurückgenommener Arbeiten durchaus einstellen kann. Carl Andre war mit 30 Einzelausstellungen der Hausheilige, dann Sol LeWitt, Hanne Darboven, On Kawara, Richard Long mit 18 Einzelshows – und der sperrige, in die Schublade der Minimal Art natürlich nicht einzupassende Bruce Nauman. Später kamen die Vertreter der Arte Povera hinzu, allen voran Mario Merz; eine Generation danach Thomas Schütte und zuletzt Shooting Star Gregor Schneider mit seinen klaustrophobischen Rauminstallationen.

Eine davon ist derzeit im Museum Kurhaus in Kleve eingebaut, gemeinerweise gleich neben dem (richtigen) Sekretariat des Hauses, so dass sich der Postbote schon einmal verlaufen hat und verstört die Flucht zurück antrat. Das ganze Kurhaus mit 2000 Quadratmetern ist erstmals einer einzigen Ausstellung gewidmet: der Sammlung Dorothee und Konrad Fischer, die hier als „Archiv einer Haltung“ annonciert wird und eher ein „Bestand“ sein soll als eine regelrechte Sammlung. Rund 200 Arbeiten von 36 Künstlern sind zu sehen. Die Fischers, anfangs knapp bei Kasse, hatten lange nicht die Möglichkeit zu sammeln und waren froh, wenn sie die ausgestellten Werke vermitteln konnten: angefangen mit der ersten Galeriearbeit von Richard Long 1968, die mithilfe von Immer-schon-Hans-Dampf Kasper König an den legendären Panza di Biumo gelangte. Diese Arbeit ist in Kleve rekonstruiert, in einem Raum, der exakt die Maße der Neubrückstraße aufweist. Aus dünnen Ästen gebildete Linien verjüngen sich perspektivisch zum Raumende, und wenn man länger auf die vermeintlichen Parallelen schaut und dann auf die demzufolge vermeintlich schiefen Wände, kann einem schon schwindlig werden. Es ist der Schwindel, der den Betrachter befällt, wenn ihm keine motivische Krücke zur Beschäftigung geboten wird, sondern allein das trockene Brot des reinen Denkens.

Die Fischers, wiewohl in einer großbürgerlichen Altbauwohnung Düsseldorfs zu Hause, konnten sich nach Format betrachtet nur mit kleineren Arbeiten umgeben. Viele Zeichnungen sind darunter, die auch eine Reminiszenz an die Anfangsjahre der Galerie ab 1967 sind, als Konstruktionszeichnungen aus den USA erbeten und dann in Düsseldorf umgesetzt wurden. Transporte existierender Arbeiten wären unbezahlbar gewesen. Wie gut, wenn dann ein Künstler wie On Kawara seine bekannten Postkarten zu schicken pflegte, die erst im täglich sich wiederholenden Ablauf - „I got up at …“ - die Arbeit oder besser gesagt, das Projekt zu bilden begannen. Andres Stahlplatten konnten ohnehin am besten von einer ortsansässigen Schlosserei geliefert werden. Hanne Darbovens Bleistiftexerzitien und die Fotografien von Bernd und Hilla Becher bilden in einem der schönsten Räume der Klever Übersicht den angemessenen Rahmen für das letzte Werk Carl Andres zu Lebzeiten Konrad Fischers, das über dem Tod des Galeristen zum Epitaph wurde: 288 Bleiwürfel, 144 zum Quadrat geordnet und 144 wild auf dem Boden verstreut.

Einzelne Künstler haben Räume für sich, Bruce Nauman mit seinen frühen, noch nicht technisch perfektionierten Entwürfen, dann Richard Long mit einem zauberhaften Steinkreis aus hellem Kalk und einer Raumecke aus Fichtennadeln, „aus dem hiesigen Wald, das Original aus der Fischer-Wohnung war weg“, wie Museumsdirektor Roland Mönig erläutert. Etwas (zu)viel Mario Merz ist zu sehen, ein Iglu und gleich mehrere Fibonacci-Reihen. Wenig Gerhard Richter, nur vier kleine Gemälde; wenig deshalb, wenn man bedenkt, dass Fischer als Konrad Lueg selbst Künstler war und mit Richter und Sigmar Polke zusammen den Kapitalistischen Realismus erfunden hat, ein kurzlebiges Gegenstück zur amerikanischen Pop Art. Fischer-Luegs eigene Werke bilden den Auftakt der Ausstellung, sie zeigen das allmähliche Verschwinden des anfänglichen Malers zugunsten des Konzeptualisten. Als Galerist war Fischer sicher die größere Begabung.

Es gibt auch Fehlstellen. Sie erklären sich aus dem Galerieprogramm. Donald Judd war als Hauskünstler auf Dauer nicht zu halten, Dan Flavin ebenso wenig. Von beiden verweisen angekaufte Arbeiten auf ihre Frühzeit in der Galerie, bevor sie zu sündteuren Helden des Kunstmarktes avancierten. Hinreißend immerhin die rosa Leuchtstoffröhren Flavins im hölzernen Treppenhaus des Kurhauses. Aber, was wichtiger ist: Es gab im Galerieprogramm keine Nieten. Die Liste der Fischer-Künstler ist ein Who’s who der Avantgarde und alsbald gesetzten Kunstmarkt-Lieblinge von 1967 bis 1996.

Joseph Beuys, der Düsseldorfer Lokalheilige, war bei allen Fischer-Veranstaltungen dabei – das Ehepaar war für seine Gastfreundschaft berühmt –, aber er gehörte nun einmal zum Stamm von Übervater Alfred Schmela, der bis zu seinem Tod 1980 dem rheinischen Geschehen in der Mutter-Ey-Straße präsidierte. Schmela übrigens war es, der Fischer den Anstoß zum Galeristendasein gab, als er ihn zur Führung einer Dependance in Erwägung zog, die Idee dann aber fallen ließ. Da hatte Konrad Fischer bereits gedanklich umgesattelt. Auf drei mal elf Metern hat Fischer den rheinischen Kunstmarkt umgekrempelt.

Museum Kurhaus Kleve, bis 30.3. Katalog: Richter Verlag, Düsseldorf, 384 S., 39 €.

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