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Kultur: Stammzellen: Markt der Möglichkeiten

In einem Punkt sind sich der deutsche Ethikrat und die Europäische Kommission einig: Europa braucht eine einheitliche Biopolitik, wenn es globale Regelungen für den Umgang mit Biotechnologien, genetisch veränderten Nahrungsmitteln oder Stammzellen will. Doch von der gewünschten Transparenz, Integration und Kooperation, von gemeinsamen Qualitäts- und Sicherheitsüberprüfungen und der einheitlichen Beurteilung der Effizienz klinischer Versuche ist Europa noch weit entfernt.

In einem Punkt sind sich der deutsche Ethikrat und die Europäische Kommission einig: Europa braucht eine einheitliche Biopolitik, wenn es globale Regelungen für den Umgang mit Biotechnologien, genetisch veränderten Nahrungsmitteln oder Stammzellen will. Doch von der gewünschten Transparenz, Integration und Kooperation, von gemeinsamen Qualitäts- und Sicherheitsüberprüfungen und der einheitlichen Beurteilung der Effizienz klinischer Versuche ist Europa noch weit entfernt.

Zunächst geht es um eine Verständigung im Grundsatz. Die von Kommissionspräsident Romano Prodi und Forschungskommissar Philippe Busquin vorgestellte Strategie für den Umgang mit der Biotechnologie in Europa empfiehlt, dass die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die die Technologien bieten, voll ausgeschöpft werden und gleichzeitig "offensive politische Maßnahmen zur verantwortungsbewussten Nutzung" ergriffen werden. So müsse das "Vertrauen der Öffentlichkeit" gestärkt werden. Die Kommission sei sich, sagt Prodi, der Skepsis bewusst. Deshalb will sie die Akzeptanz durch Transparenz und Debatten fördern.

Bestimmt wird die EU-Strategie jedoch von wirtschaftlichen Aspekten, wie den Vorteilen, die die Harmonisierung des Binnenmarktes in diesem Sektor für die Wettbewerbsfähigkeit Europas bieten. Ziel der EU-Politik ist es, die 15 Mitgliedsländer, was das Wachstum angeht, auf ein Niveau mit den USA zu bringen. Der europäische Markt für Biotechnologien habe bis 2005 ein Volumen von möglicherweise 100 Milliarden Euro erreicht, heißt es. Bis 2010 könnten die Märkte - auch ohne die Landwirtschaft - mehr als 2000 Milliarden Euro ausmachen. In Europa gebe es mehr spezialisierte Biotechnologiefirmen als in den USA, nämlich 1570 Firmen gegenüber 1273. Es handele sich dabei allerdings vor allem um kleine und mittlere Unternehmen. Deshalb erziele die Branche in den USA fast dreimal so hohe Umsätze und beschäftige auch fast dreimal so viele Arbeitskräfte. Um den Unterschied zu verringern, benötigten die europäischen Unternehmen mehr qualifiziertes Personal und mehr Risikokapital. Hinsichtlich gentechnisch veränderter Nahrungsmittel hat die Kommission sich bereits klar festgelegt. Hier drohe Europa ins Hintertreffen zu geraten. Weltweit stünden 50 Millionen Hektar zur Verfügung, während in Europa nur 12 000 Hektar für gentechnisch veränderte Pflanzen genutzt werden könnten.

Weniger klar ist dagegen die europäische Haltung zur Stammzellenforschung. Über die Frage, ob Embryonen medizinisch verwertet werden dürfen, sind die Europäer zerstritten. Konkret wird der Konflikt an der Frage, in welcher Weise die Forschung an Stammzellen durch EU-Mittel finanziert werden soll. Im nächsten Forschungsrahmenprogramm der EU, das von 2003 bis 2006 gelten soll sind 2,2 Milliarden Euro für die Biotechnologie vorgesehen. Der Anteil, der für die Stammzellentherapie zur Verfügung steht, ist vergleichsweise gering. Die Kommission finanzierte im vergangenen Jahr 15 grenzüberschreitende Forschungsprojekte über Stammzellentherapie. Insgesamt wurden 2001 etwa hundert Laboratorien mit 27 Millionen Euro gefördert. Die geförderten Wissenschaftler arbeiteten ausschließlich mit Stammzellen, die Erwachsenen, Nabelschnurblut oder abgetriebenen Embryonen entnommen worden seien, heißt es in einer Erklärung der Generaldirektion Forschung. Die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken wird nach Aussagen Busquins nicht aus europäischen Forschungsprogrammen bezahlt. Verboten ist auch die Finanzierung reproduktiven Klonens und vererbbarer Eingriffe in menschliche Gene. So hält es die EU-Kommission für unproblematisch, die Forschungsmittel für die Biowissenschaftler bis 2006 auf 2,2 Milliarden Euro zu erhöhen. Das bedeute nämlich nicht, dass die Mittel nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden könnten, sie müssten mit Zustimmung der Mitgliedstaaten beantragt werden. Da sie an die nationalen Gesetze gebunden sind, soll kein EU-Staat auf die schiefe Ebene geraten.

Einige Europaparlamentarier lehnen dieses Konzept ab. Sie befürchten, dass so auch in Deutschland durch die Hintertür Forschungsmöglichkeiten geschaffen werden, die das Embryonenschutzgesetz verbietet. Sie kritisieren die Politik der Kommission als zu "forschungsfreundlich". Die EU-Forschungsminister haben das Projekt trotz der Vorbehalte in Deutschland, Österreich, Italien und Irland genehmigt. Forschungsministerin Edelgard Bulmahn lehnt es ab, die Stammzellenforschung in anderen Ländern mit deutschen Haushaltsmitteln zu finanzieren, obwohl sie in Deutschland nicht in Angriff genommen werden dürfen. Das würde die nationalen Kriterien unterlaufen und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.

Mariele Schulze Berndt

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