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Kultur: Stark im Doppelpack

Sebastian Dehnhardts Doku über die Klitschkos

Rocky kann einpacken, jetzt kommen die Klitschkos. Der Aufstieg der ukrainischen Boxgebrüder, die in Kasachstan und Kirgisien zur Welt kamen und sich trotz heftiger Rückschläge den Weg in den Boxsport-Olymp freikämpften, hätte Hollywood nicht besser erfinden können. Schon mehrfach hatten Vitali und Wladimir Klitschko Angebote von Filmproduzenten abgelehnt, die das Leben des Weltmeisterdoppelpacks gewinnbringend dokumentieren wollten. Von der Boxarena bis zur KindermilchschnittenWerbung sind die Brüder bekennende Selbstvermarkter und haben sich nun mit Sebastian Dehnhardt einen Regisseur gesucht, der nicht nur den sportlichen Werdegang, sondern auch die biografischen Hintergründe und die Dynamik der Bruderbeziehung erforscht.

Zugegeben, in den ersten zehn Minuten wirkt der Film wie ein Trailer in eigener Sache. Aber nach einer etwas hochtourigen ersten Runde kommt Dehnhardts Doku zur Ruhe und reist zurück in die Kindheit der Gebrüder. Erstmals stehen auch die Eltern vor der Kamera, die sich bisher dem Medienzirkus um ihre Söhne vollkommen entzogen haben. Der Vater war sowjetischer Armeeoffizier, und die Familie zog von einem Militärstützpunkt zum nächsten. In Kiew haben sie 1986 auch den Super-GAU von Tschernobyl miterlebt. Der Vater wurde als Hubschrauberpilot zum Reaktor abkommandiert, und die Jungs ließen Papierschiffchen in radioaktiv verseuchten Pfützen schwimmen.

Parallel dazu wird vom rasanten Aufstieg der Brüder im Ring erzählt. Neben dynamisch geschnittenen Kampfszenen werden Wladimirs Trainer Emanuel Steward sowie die ehemaligen Boxweltmeister Lennox Lewis, Lamon Brewster und Chris Byrd interviewt, die auch auf die unterschiedlichen Kampfcharaktere der beiden Brüder verweisen. Am meisten profitiert der Film jedoch von den Klitschkos selbst. Vitali und Wladimir sind entspannte und zugleich eloquente Erzähler, die auf hohem Niveau über den Sport und das Boxbusiness reflektieren. Sehr schön ist die mit versteckter Kamera aufgenommene Szene, in der der weltbekannte Boxpromotor Don King die Brüder in seine Villa einlädt und den Klitschkos imponieren will, indem er am elektrischen Flügel so tut, als könnte er Klavier spielen.

Die interessanteste Frage wirft allerdings nicht der Regisseur, sondern Lamon Brewster auf, der Ex-Weltmeister im Schwergewicht, der 2010 im Kampf gegen Robert Helenius auf einem Auge erblindet ist: „Wenn du nichts im Leben hast – keine Familie, kein Geld, keinen Job – dann kannst du Boxer werden. Ich verstehe nicht, warum die Klitschkos Boxer wurden. Ihnen stand alles offen. Sie sind schlau und gebildet. Sie hätten Ärzte oder Anwälte werden können und sie hätten sich nicht mit Leuten wie mir herumschlagen müssen.“ Diese Frage bleibt leider auch nach 110 spannenden Kinominuten offen.Martin Schwickert

In 13 Berliner Kinos

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