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Kultur: Stars für Millionen

Kandinsky, Beckmann, Hopper: die New Yorker Auktionssaison

Von all’ den teuren Bildern, die in der nächsten Woche bei Sotheby’s und Christie’s versteigert werden, ist Edward Hoppers „Chair Car“ das mysteriöseste. Das in Grün- und Gelbtönen farblich zurückgenommene Gemälde, das der 83-jährige Hopper ganz am Ende seiner Karriere malte, setzt vier Personen in eine von Schweigen, Nachdenklichkeit und Bedrücktheit geprägte Nicht-Beziehung, in einem lichtdurchfluteten Raum, der, obwohl es sich um einen Eisenbahnwagen der Luxusklasse handelt, Raum und Zeit enthoben ist.

Ein Geheimnis bleibt auch der Marktwert des Bildes – bis am 11. Mai bei Christie’s der Hammer fällt. Mehrere Hollywoodstars haben das Bild angeblich schon zu Hause Probe gehängt. Aber vielleicht reicht so ein Filmstargehalt gar nicht, denn der Preis wird sich eher auf dem Niveau einpendeln, auf dem die New Yorker Top-Finanziers unter sich sind. Der letzte Hopper von diesem Kaliber kostete 1990 in New York 2,4 Millionen Dollar. Im Katalog ist kein Schätzpreis angegeben, doch intern rechnet man bei Christie’s mit 15 bis 20 Millionen Dollar.

Das Angebot reicht zwar nicht ganz an die reiche Ernte des vergangenen Jahres heran, als der 100-Millionen-Picasso und die Sammlung Hester Diamond für Auftrieb am Kunstmarkt sorgten. Doch der Markt ist heiß, wie die Auktionatoren betonen, vor allem bei der Contemporary Art, wo die prachtvollen und umfangreichen Kataloge zeigen, wie sehr die Aufmerksamkeit der Superreichen nun auf die zeitgenössische Kunst gerichtet ist.

Die schönsten Perlen sind dennoch bei den Klassikern der Moderne zu finden – vor allem in der Sotheby’s-Auktion am 3.Mai. Das Starlos ist Wassily Kandinskys „Zwei Reiter und liegende Gestalt“ (1909/10), das vergangenen Sommer im Münchner Lenbachhaus erstmals öffentlich gezeigt wurde. Kandinsky schenkte das Werk seinem Freund  Alexej Jawlensky. Nun sind die Nachfahren von dessen letzter Lebensgefährtin, Lisa Kümmel, die Besitzer. Der Preis wird auf 15 bis 25 Millionen Dollar geschätzt. Als Gemälde an der Schwelle von Gegenständlichkeit zur Abstraktion, mit einer Farbkraft, die sich den fauvistischen Einflüssen auf den Blauen Reiter verdankt, hat das Bild alles, was Sammlerherzen begehren.

Beckmanns „Selbstporträt mit Kristallkugel“ ist Sotheby’s zweite Überraschung. Seitdem das „Selbstporträt mit Horn“ 2001 mit 22,5 Millionen Dollar den damaligen Schätzpreis verdoppelte, gelten Beckmanns Selbstporträts als die begehrenswertesten Werke des Malers. Auf dem in pastellig leuchtenden Blautönen gemalten Bild stellt Beckmann sich – 1936, nur Monate vor seiner Auswanderung aus Nazi-Deutschland – als düsterer Wahrsager kommender Ereignisse dar. Auch dieses Gemälde stammt aus Privatbesitz und war noch nie auf dem Auktionsmarkt (Taxe 10–15 Millionen Dollar). Das dritte Superlos bei Sotheby’s ist Picassos „Femme d’Algers“, das nach 40 Jahren erstmals wieder angeboten wird.

Es gehört zu einer Serie von Haremsbildern, die Picasso 1955 als Hommage an den ein Jahr zuvor gestorbenen Henri Matisse malte, und nimmt gleichzeitig das Thema seiner eigenen berühmten Frauengruppe „Demoiselles d’Avignon“ wieder auf (Taxe 15–20 Millionen Dollar). Christie’s Lockvögel sind zwei Skulpturen aus dem Kanon des 20. Jahrhunderts. Constantin Brancusis „Oiseau dans l’espace“ gehört zu den klassischen Motiven des Bahnbrechers der modernen Plastik, doch die Version in Marmor war bisher unbekannt.

Mit 8 bis 12 Millionen Dollar soll dieser Brancusi zwei Millionen mehr kosten als die 167 Zentimeter große Giacometti-Plastik „Femme Leoni“, eine seiner ersten lebensgroßen Figuren, in der Giacometti die Melancholie das modernen Menschen ausdrückte. Zwei Klassiker testen, wie sich der Markt für Impressionisten entwickelt: Cézannes „Les grands Arbres au Jas de Bouffan“, 1996 für umgerechnet 7,2 Millionen Dollar von einem japanischen Sammler gekauft, soll jetzt 12 bis 16 Millionen Dollar bringen. Degas’ Pastell „La Loge“ fasziniert durch seine dramatische Perspektive und wird auf 4 bis 6 Millionen Dollar geschätzt.

Bei der Contemporary Art ragt neben dem Hopper-Bild bei Christie’s ein großes Porträt des Fotorealisten Chuck Close heraus, das Sotheby’s im Angebot hat. Das zweieinhalb Meter hohe Gemälde „John“ (1971/2) stammt aus der Sammlung von Robert B. Mayer und gehört zu den wenigen Bildern dieser Periode, die überhaupt noch privat zu haben sind. Der Schätzpreis von 5 bis 7 Millionen Dollar wird daher sicher überboten. Eine dritte Trophäe ist Warhols „Liz“ bei Sotheby’s. Seine großen Porträts der sechziger Jahre haben inzwischen Seltenheitswert, auch wenn Miss Taylor preislich mit einem Schätzwert von 9 bis 12 Millionen Dollar ein bisschen unter einer „Marilyn“ liegt.

Matthias Thibaut

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