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Kultur: "Start Up": Jeder wird Millionär

Er lächelt und lächelt und ist doch ein Schurke: Gary Winston (Tim Robbins), ein nonchalanter Meister der Macht. Seine Mitarbeiter verführt er mit flammender Rhetorik.

Er lächelt und lächelt und ist doch ein Schurke: Gary Winston (Tim Robbins), ein nonchalanter Meister der Macht. Seine Mitarbeiter verführt er mit flammender Rhetorik. Nur manchmal, wenn er sich unbeobachtet wähnt, blitzt das Böse auf. Dann brüllt er seine Handlager an: "Keine Gesetze!" Winston besitzt einen Megakonzern in der Computerbranche. Er ist reich, gierig und besessen. Er will das Monopol.

Auf der anderen Seit stehen die Idealisten. Sie tragen Kapuzenpullis, Sneakers und weite Jeans. Keiner ist älter als 30. Ihr Zuhause ist die Garage - der Ort, an dem die moderne Mythen entstehen. Doch meist ist ihre Welt sowieso virtuell. Wenn einer wie Milo Hoffman (Ryan Phillippe) eine dreidimensionale Freundin (Claire Forlani) hat, dann staunen die anderen. Diese brillanten Programmierbubis und Computerbabes sind die Tellerwäscher des Informationszeitalters. Alle wollen Millionäre werden, nur die Ideale, die sollen dabei nicht verloren gehen. Die Codes von Computerprogrammen, sagen sie, sollen im Internet offengelegt werden, dass jeder daran weiterschreiben kann. Open Source nennt sich die Bewegung. Es gibt sie auch im wirklichen Leben.

Das klingt sympathisch. Doch böse Buben wie Gary Winston sind da anderer Meinung. Tim Robbins trägt eine Bill-Gates-Brille und hat eine Bill-Gates-Frisur. Einmal fragt er: "Bill... wer?" Ein hübsches bashing des Microsoft-Gründers, und Lieblingsfluch unter Windows-Benutzern. Dieser Winston strebt nach der digitalen Konvergenz, die alle elektronischen Geräte global vernetzt. Und dafür braucht er Leute wie Milo. Deshalb lockt er ihn auf die andere Seite.

"Startup" will ganz nah am Puls der Zeit sein. Doch spätestens übermorgen wird Peter Howitts Film ganz alt aussehen und auf dem Müllberg der Zeitgeist-Hinterherhechel-Filme landen. Und weil vor einiger Zeit der Nasdaq ins Niemandsland gestürzt ist und den Branchenoptimismus gleich mitgerissen hat, gehört der Film schon jetzt dorthin. Die "New York Times" hat gestichelt, der Film entpuppe sich als erstes Nostalgiestück auf die späten 90er Jahre.

Das Problem aber liegt woanders. Hollywood blättert auf Geschichtensuche offensichtlich gerne aufgeregt in "Newsweek" oder "Time". Wenn dann ein munteres Thema entdeckt ist, grabbeln die Drehbuchautoren im Plot-Baukasten - um sich das immergleiche Handlungsgerüst zusammen zu stecken, wie man es seit "Der unsichtbare Dritte" kennt. Also: Ein Durchschnittsmensch wird in ein Netz von Intrigen verwickelt. Dort weiß er nicht mehr, wem er trauen kann und muss sich alleine befreien. Wie Milo, der plötzlich Winstons Imperium gegenübersteht. Solche Titelstory-Thriller gab es über sexuelle Belästigung ("Enthüllung"), den amerikanischen Rechtsextremismus ("Arlington Road") und Aktienbroker ("Boiler Room").

Vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, macht Hollywood das Entscheidende falsch: Es verkauft den Zuschauer für dumm. Besonders widersprüchlich wird es, wenn sich ein Großstudio wie MGM gleichzeitig in die Moralisierer-Pose wirft. "Antitrust" lautet der Originaltitel, und in diese Richtung argumentiert der Film auch. Gegen Megakonzerne. Gegen Monopolisten. Gegen das Großkapital, wie man früher gesagt hätte. Hollywood gegen Hollywood. Wie süß. Und wie verlogen.

Julian Hanich

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