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Die Autorin Stefanie Sargnagel, 31.

© Alexander Goll

"Statusmeldungen" von Stefanie Sargnagel: Männer, zieht euch ins Nest zurück!

Scharfsinn trifft Blödsinn: die Wiener Autorin Stefanie Sargnagel versammelt im Buch "Statusmeldungen" ihre Facebook-Posts der letzten Jahre.

Der Hass muss draußen bleiben. Kein einziger Kommentar und kein Shitstorm hat es in die gedruckten Ausgaben von Stefanie Sargnagels gesammelten Facebook-Posts der letzten zwei Jahre geschafft. Nur ihre eigenen „Statusmeldungen“, wie das Buch, angelehnt an den Social- Media-Begriff für einen Textbeitrag auf der eigenen Profilseite heißt, sind hier versammelt.

Der Formatwechsel von der digitalen in die analogen Sphäre hat den schönen Effekt, dass die Wiener Autorin das letzte Wort behält, während die Beschimpfungen und Gewaltfantasien ihrer Trolle schon längst in den Untiefen der Timelines versunken sind. Papier beruhigt. Der Text kommt zu seinem Recht.

Die Aufregung wird lediglich in Sargnagels Reaktion darauf gespiegelt. Etwa wenn sie im Mai 2016 schreibt: „Ich finde es rührend, wie nach dem großen Shitstorm der Rechten immer noch kleine Beleidigungen in meinen Social Media aufblitzen. Die letzten kleinen Gackispritzer nach dem großen Sturm. Immer wieder ploppt ein ,Bring dich um’ oder ,Lass dich von Flüchtlingen vergewaltigen’ zusammenhanglos zwischen Diskussionen auf. Wie die übriggebliebenen Schnapsleichen auf einem Festivalgelände kurz vorm Abbau.“

Ein Witz über Norbert Hofer löste einen Shitstorm aus

Ausgelöst hatte Sargnagel die Entrüstung mit einem von ihr später als „Abtreibungswitz“ bezeichneten Post, in dem es in Anspielung auf den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer heißt: „Ich glaub, ich setz die Pille ab, nur damit ich noch ein paarmal abtreiben kann, bevor Hitler Bundespräsident wird.“ Womit Sargnagel zwei ihrer Kernthemen – rechte Politik und ihren Körper – in einem Satz unterbringt.

Die 1986 in Wien geborene Autorin und Zeichnerin hat es über die Jahre – „Statusmeldungen“ ist bereits der fünfte Sammelband mit ihren Facebook-Posts – zu einer großen Könnerschaft in der für sie typischen Mischung von satirisch-sarkastischen sowie persönlich-politischen Kurztexten gebracht. Ihr Buch funktioniert wie eine Kreuzung aus öffentlichem Tage- und Notizbuch, in dem scharfsinnige Alltagsbeschreibungen neben blödsinnigen Gedichten, Sprüchen, Zitaten ihrer Eltern, Witzzeichnungen und den Berichten über ihren Stuhlgang, ihre psychischen Probleme und ihre Kneipenbesuche stehen. Hinzu kommen Anekdoten aus dem Callcenter der Rufnummernauskunft, in dem sie vier Jahre gearbeitet hat.

"Statusmeldungen" spiegelt Sargnagels Professionalisierung

Stefanie Sargnagel, die eigentlich Sprengnagel heißt und stets mit einer roten Baskenmütze auftritt, hat sich so ein schillerndes Kunstfiguren-Alter-Ego geschaffen, das ihr im deutschsprachigen Raum bereits zahlreiche Fans, Lesereisen und Schreibaufträge für klassische Medien eingebracht hat. Ob ihre Texte nun Literatur, Satire oder Journalismus sind, ist letztlich unerheblich. Sie sind alles zusammen, aber vor allem sind sie genuine Internet-Texte, die zeigen, dass die sozialen Medien, ihre eigenen Formen und Stars hervorbringen. Den Job bei der Telefonauskunft hat Sargnagel mittlerweile drangegeben. In „Statusmeldungen“ vollzieht sie den endgültigen Übergang vom prekären Studentinnen- zum professionellen Künstlerinnendasein. Man könnte sagen: Sie wird erwachsen, hört sogar auf zu trinken, bekommt ihr Leben in den Griff – etwas, das sie in vielen ihrer Facebook-Posts herbeisehnt, aber auch mit kolossaler Langeweile verbindet.

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Als Arbeiterklassekind – Sargnagels Mutter ist Krankenschwester, ihr Vater Installateur – nimmt sie die Unterschiede und den Habitus ihrer neuen Schicht genau wahr: „Man merkt sofort, wenn KünstlerInnen aus KünstlerInnenfamilien kommen. Ihnen fehlt einfach dieser Rechtfertigungsantrieb, dieses Schuldgefühl gegenüber Menschen mit richtiger Arbeit“, schreibt Sargnagel, die die Schule abgebrochen und später die Akademie-Malereiklasse von Daniel Richter besucht hat.

Aus ihrem Klassenbewusstsein und ihrem „Proletenstolz“ wie sie ihn nennt, resultiert ein Abgrenzungsbedürfnis, eine Punkattitüde und ein Hang zur politischen Unkorrektheit. Gendern, Bioessen und Vegetarismus stehen bei Sargnagel, deren Buch viele Lobpreisungen eines Chinabuffets enthält, nicht hoch im Kurs. Weshalb ihre Beobachtungen während eines anarchistischen Sommercamps besonders witzig sind. Sie berichtet, dass zwar der soziale Druck unter den Linksradikalen extrem hoch sei. „Aber das Bier ist immer billig, und das Essen bereiten sie immer frisch aus Mülltonnen zu.“

FPÖ und Identitäre werden verspottet

An ihrer linken und vor allem feministischen Einstellung lässt Sargnagel ansonsten keinerlei Zweifel aufkommen. So beteiligt sie sich im Sommer 2015 an Schlepperaktionen, bei denen sie Flüchtlingen hilft, von Ungarn nach Österreich zu gelangen. Sie wettert gegen die FPÖ und verarscht sehr hübsch die Identitäre Bewegung, für die sie sich sogar einmal das Personal für eine Soap Opera ausdenkt. Manchmal vergeht ihr aber auch die Lust zum Scherzen, etwa wenn sie am 9. September 2015 schreibt: „Schön zu sehen, wie sich die größten österreichischen Chauvinisten um die Frauenrechte im Islam sorgen.“

Alles Übel geht für Sargnagel vom Patriarchat aus, wobei sie dessen europäische Ausprägung in einem Wettbewerb mit dem politischen Islam sieht. Einziger Ausweg: die Einführung des Matriarchats. Dazu gehört der „Rückzug von Männern in den privaten Bereich, in dem sie den Schutz und die Entmachtung spüren, die sie längst brauchen.“ Ähnlich, teils rabiat männerfeindlich äußert sie sich mehrere Male. Damit liegt die Autorin ganz auf der Linie der von ihr mitgegründeten Burschenschaft Hysteria. „Statusmeldungen“ hat sie der Vereinigung mit der Hyäne im Wappen gewidmet. Die Gruppe, deren Hymne „Ehre, Freiheit, Vatermord“ beschwört, lässt nur Frauen zu. Sie tragen schwarze Uniformen und rote Kappen wie Sargnagel.

Die Burschenschaft Hysteria kämpft gegen Chauvinismus

In Wien hat die Hysteria schon für einige spektakuläre Aktionen gesorgt. Etwa als sie sich auf den von rechten Burschenschaften dominierten Akademikerball in der Hofburg schlichen und ihr Hyänen-Banner an einem Balkon befestigten. Hysteria führt einen Frontalangriff gegen den Chauvinismus und die in Österreich besonders einflussreichen Burschenschaftsseilschaften. Das gefällt nicht allen. Und weil Sargnagel dem konservativen Establishment ohnehin auf die Nerven geht, nahm das Boulevardblatt „Neue Kronen Zeitung“ einen satirischen Bericht über eine Marokkoreise von Sargnagel und zwei Kolleginnen zum Anlass für einen Hetzartikel unter der Überschrift „Saufen und Kiffen auf Kosten der Steuerzahler“. Anschließend brach im Netz ein Hasssturm gegen die Wienerin los. Facebook sperrte unsinnigerweise sie und nicht die User, die ihr Tod und Vergewaltigung wünschten.

Mittlerweile ist Stefanie Sargnagel Stadtschreiberin von Klagenfurt. Die Residenz hat sie beim Bachmann-Wettbewerb 2016 gewonnen, was leider in „Statusmeldungen“ nur eine kleine Rolle spielt. In den Wochen zuvor merkt sie einige Male an, dass ihr immer noch nichts eingefallen ist. Während des Lesewettbewerbs sind ihre Postings recht einsilbig („Meine Favoritin bin ich“), danach schreibt sie immerhin: „Ich muss mich jetzt ganz viel duschen, um diesen bürgerlichen Schmutz wegzuwaschen, in dem ich mich die letzten Tage gesuhlt habe.“ Einige Passagen ihres Bachmann-Textes „Penne vom Kika“ stammen aus Facebook-Posts, die man im Buch nachlesen kann. Selbstsamplings sozusagen. Der Jury war es wurscht – sie hat sich sehr unterhaltsam gestritten.

Stefanie Sargnagel: Statusmeldungen. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017. 303 S., 19,95 €.

Lesung in Berlin am 24. Oktober im Festsaal Kreuzberg.

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